Ab aufs Nebengleis

■ Bundesbahnfreifahrten für Schwerbehinderte werden gestrichen.

Michael Stern war „platt“, als er den Brief des Versorgungsamtes öffnete. Ab sofort, konnte der 37jährige Schwerbehinderte da lesen, dürfe er mit der Bahn nicht mehr kostenfrei nach Lübeck, Bremen oder Neumünster reisen. Als Alternativen wurden dem Epileptiker Freifahrten in die Weltstädte Tosstedt, Schwanheide und Himmelpforten offeriert. Resultat einer Änderung des Scherbehindertengesetzes infolge der Neuordnung der Deutschen Bundesbahn.

Wie Michael Stern erhalten über 50.000 Hamburger Schwerbehinderte in diesen Tagen die briefliche Nachricht von einer drastischen Einschränkung ihrer Mobilität. Für 120 Mark jährlich genossen sie bislang im Umkreis von 50 Kilometern um Hamburg freie Fahrt. Im Prinzip soll das so bleiben. Nur daß aus Gründen der „Gleichberechtigung“ mit Kleinstädten, so das Bundessozialministerium, der 50-Kilometer-Radius in Zukunft um die Stadtmitte geschlagen wird. Bislang begann das 50-Kilometer-Limit erst an der Stadtgrenze.

Da es auf vielen Hauptstrecken kaum Zwischenstationen bis zu den nun aus dem Radius gerückten Fahrtzielen gibt, sind viele Bahnlinien in Zukunft zum Nulltarif gar nicht mehr zu befahren. „Wir werden auf Nebenstrecken abgeschoben“, klagt Michael Stern. Doch die seien „oft nicht in ausreichendem Maße behindertengerecht ausgebaut“.

Gerhard Knoll, der Senatsbeauftragte für Behinderte, beklagt vor allem, daß „die Interessenvertreter der Behinderten nicht über diese Maßnahmen im Vorfeld informiert worden sind“. So fiel eine Mitarbeiterin der Landesarbeitsgemeinschaft für Behinderte „aus allen Wolken“, als sie am Freitag von der Post des Versorgungsamtes erfuhr: „Wir wußten von nichts“. mac