„Die Chancen für einen Kompromiß sind gering“

■ Alexander Boschkow, Vizechef der oppositionellen SDS, über die Lage in Bulgarien

taz: Die Situation in Bulgarien ist festgefahren. Wie sehen Sie die Chancen für einen Kompromiß mit der sozialistischen Partei BSP?

Alexander Boschkow: Die Chancen dafür sind gering. Die BSP verlangt auch weiterhin, daß ihr der Auftrag zur Regierungsbildung erteilt wird. Allerdings mehren sich innerhalb der BSP die Stimmen, die jetzt für sofortige Neuwahlen plädieren. Wir jedenfalls halten an unserer Forderung nach einer Annahme der „Deklaration zur Rettung Bulgariens“ vom 19. Dezember fest. Sollte die BSP der Deklaration nicht zustimmen, werden wir versuchen, unsere Forderungen, das heißt Auflösung des Parlaments, Übergangsregierung und so schnell wie möglich Neuwahlen, durchzusetzen. Notfalls mit noch mehr Druck. Einen Generalstreik für kommenden Mittwoch haben die Gewerkschaften ja bereits angekündigt.

Die Studenten sind die größte Gruppe unter den Demonstranten. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen SDS und Studenten beschreiben?

Wir müssen einerseits von dem Verhältnis der SDS zu den Studenten und andererseits von dem Verhältnis der Studenten zur SDS sprechen. Was den ersten Punkt anbetrifft, so war unser Hauptproblem, besonders in den Jahren 1993 bis 1995, daß sich die jungen Leute generell von der Politik und damit auch von der SDS zurückgezogen haben. Deshalb begrüßen wir jetzt natürlich das Engagement der Studenten, nicht zuletzt, weil wir wissen, daß sie der Motor jeder Revolution sind.

Eine andere Frage ist das Verhältnis der Studenten zu uns. Sie erwarten von uns jetzt ganz konkrete Taten, die sie auch dazu motivieren, Bulgarien nicht zu verlassen. Das Wichtigste ist jetzt, ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben, damit sie sich in verschiedenen Bereichen, wie Kunst, Wissenschaft, aber auch der Privatwirtschaft, entfalten können. Und das in einem stabilen Staat, der sich nicht in ihr Privatleben einmischt.

Die Menschen lassen sich nicht länger mit Programmen und Ankündungen abspeisen. Sollte die SDS also an die Macht kommen, wird sie unter einem großen Druck stehen.

Wir sind uns der Schwierigkeiten, die vor uns liegen, vollauf bewußt, wenngleich die Menschen hier begriffen haben, daß sie nicht über Nacht reich werden können. Gleichzeitig haben die Demonstrationen der letzten Tage eins deutlich gemacht: Die Bulgaren wollen nicht länger zusehen, wie ihr Land unter der Führung der BSP in eine falsche Richtung gelenkt wird. Wenn wir in den ersten Monaten bereits zeigen, daß wir die Richtung ändern, werden wir das Vertrauen und die Unterstützung der Menschen gewinnen. Wenn wir diese Beweise schuldig bleiben, wird das Volk versuchen, uns genauso hinwegzufegen wie jetzt die BSP.

Bei aller Euphorie sind viele skeptisch, ob die Opposition die anstehenden Probleme wird lösen können. Schließlich hat die SDS 1991/1992, wenn auch als Minderheitenregierung, versagt.

Die Situation von damals und heute kann man nicht vergleichen. In der SDS hat ein personeller Wechsel stattgefunden. Und die Leute, die jetzt in der Führung sitzen, haben inzwischen Erfahrungen sowohl in der Verwaltung als auch auf lokaler Ebene und nicht zuletzt im privatwirtschaftlichen Sektor sammeln können. Außerdem haben wir mehr Klarheit über die Probleme Bulgariens gewonnen. Unser Programm ist jetzt ausgefeilter und klarer. Nicht zuletzt sind da auch die Erfahrungen der anderen Reformländer Osteuropas eingeflossen.

Die Ereignisse in Bulgarien sind im Westen auf große Resonanz gestoßen. Was erwarten Sie von den westlichen Staaten?

Wir wollen vom Westen keine Geschenke. Wir wollen in Bulgarien die Voraussetzungen für westliche Investitionen schaffen. Darüber hinaus streben wir mit Hilfe des Westen die baldige Integration Bulgariens in die Europäische Gemeinschaft an. Denn wir sind davon überzeugt, daß Bulgariens Wirtschaft sich nur innerhalb eines vereinigten Europas entwickeln kann. Die andere Option heißt Nato. Nur die Nato kann die Sicherheit Bulgariens garantieren. Deswegen werden wir einschneidende Veränderungen in der Außenpolitik vornehmen. Denn Bulgarien ist das einzge osteuropäische Land, das bis jetzt noch nicht seinen Wunsch ausdrücklich formuliert hat, Mitglied der Nato zu werden. Diese Verzögerung müssen wir jetzt kompensieren. Interview: Barbara Oertel