Bürgerinitiative fordert Todesstrafe

Unweit von Varel, wo die ermordete Kim Kerkow am Freitag beerdigt wurde, sammelt eine obskure Vereinigung Unterschriften für die Todesstrafe und findet großen Anklang  ■ Aus Varel Nathalie Daiber

„Die müßte man alle erschießen.“ Inga Böse sagte das nicht so einfach daher, sie meint es auch so. Die blonde unscheinbare Frau hat zusammen mit neun anderen kinderlosen Erwachsenen vorige Woche die „Bürgerinitiative zur Durchsetzung der Todesstrafe“ gegründet. Bereits seit Mai 1996 führt die 30jährige Hausfrau und Mutter Buch über alle Kindermorde in Deutschland. „Am Anfang haben alle gesagt: So ein Quatsch!“ Doch seit der Ermordung der zehnjährigen Kim Kerkow wird Inga Böse ihrem Namen gerecht. Jetzt, nach einer Woche, haben schon 2.000 Menschen ihre Unterschriftenliste unterzeichnet.

Inga Böse wohnt in Stollenham, nur 30 Kilometer von Varel entfernt, jenem Ort, in dem die kleine Kim gelebt hat. Ebenfalls nur 30 Kilometer weiter war Rolf D. zu Hause, der mutmaßliche und geständige Täter. Schon vor 18 Jahren ist er verhaftet worden wegen sexuellen Mißbrauchs und Mordes an einem Mädchen. Nach vier Jahren kam er wieder frei.

Bis vor eineinhalb Wochen war in Varel die Welt noch in Ordnung. Dann wurde die zehnjährige Kim Kerkow entführt, sexuell mißbraucht und ermordet. Seitdem ist das Dorf kurz vor Wilhelmshaven mit seinen schmucken Einfamilienhäusern jeden Tag in der „Tagesschau“ zu sehen.

Die Gunst der Stunde nutzt der Bürgerinitiative: „Wir haben Anfragen aus der gesamten Bundesrepublik“, sagt Inga Böse. Zwischen 22 und 30 Jahren alt sind die Mitglieder, Inga Böse ist ihre Sprecherin. Mitgründer Heiko Socha will lieber nicht so genau sagen, was sie wollen. Klar ist: Sie fordern die Todesstrafe für Wiederholungstäter, für solche wie Rolf D.

„Nicht für alle“, schränkt Inga Böse ein. Sie schreibt den Aufruf noch mal um, denn der sei in diesem Punkt mißverständlich. Väter oder Bekannte der Familie, die Kinder mißbrauchen, sollten nicht gleich die Spritze bekommen oder auf den elektrischen Stuhl wandern. Allerdings: Daß Kinder von bekannten und vertrauten Personen sexuell mißbraucht werden, kommt viel häufiger vor als Mißbrauch durch Fremde.

„Aber eigentlich ist die Spritze noch viel zu gut für die. Die sollten so leiden, wie die Kinder gelitten haben“, sagt Inga Böse. Kim ist sexuell mißbraucht und dann erstickt worden. Worunter sie mehr gelitten hat, danach kann man sie nicht mehr fragen.

Die Sprecherin der Bürgerinitiative setzt voll auf Abschreckung. Daß diese in den USA kaum Wirkung hat, führt Inga Böse auf die lange Zeit zwischen Tat und Strafe zurück.

In Varel findet die Bürgerinitiative viel Resonanz. An der Haupttankstelle liegen Unterschriftenlisten aus, drei Seiten mit rund 15 Namen pro Seite. Die Angst und die Wut sind groß: „Selbst die Jugendlichen fahren nachts an die Seite, um sich zu verstecken, wenn ein Auto langsam hinter ihnen herfährt“, erzählt Bernd Göde, Pfarrer der Gemeinde von Kim Kerkow. Aber nicht alle unterstützen deshalb die Initiative.

Die Menschen sind schockiert, wie sollte es auch anders sein. Sie wollen helfen, wissen aber nicht wie. „Die Familie von Kim bekommt unglaublich viele Geldspenden. Dabei brauchen sie gar kein Geld“, sagt Bernd Göde. Er selbst ist Vater und kann die Reaktionen verstehen. „So jemand wie der Mörder von Kim dürfte gar nicht mehr die Möglichkeit haben, mit Kindern in Kontakt zu kommen.“ Aber der Gedanke der Rache, so hofft er, werde bald versiegen und damit auch die Bürgerinitiative. Zusammen mit seiner Frau Brigitte Göde, ebenfalls Pfarrerin, hat jedoch auch er in der Trauerrede bei Kims Beerdigung am Freitag die Verschärfung des Strafrechts gefordert.

Brigitte Göde und ihr Mann betreuen die Kindergruppen der evangelischen Gemeinde. Jetzt haben sie noch eine Psychologin hinzugezogen. „Die Kinder sprechen nun über Sachen, die sie sonst verschwiegen haben“, sagt Bernd Göde – über sexuellen Mißbrauch und Gewalt.