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Blitzlos abgenudelt

■ Academy of St. Martin in the Fields

Zweierlei Gründe kann es dafür geben, daß ein Kammerorchester, das normalerweise um die dreißig Mitglieder zählt, mit ihrer fünfzehn auf Tournee geht: künstlerische oder solche der Sparpolitik. Was die - hierzulande über Klassik Radio nur allzu bekannt gewordene - Londoner Academy of St. Martin in the Fields (ASM) angeht, ist schwer zu sagen, welche Gründe am Montag Abend in der Musikhalle ausschlaggebend waren.

Mit Augenmerk auf das Programm wäre auf Sparpolitik zu tippen. Denn einfach langweilig war die Ansetzung von Purcells Abdelazer -Suite für Orchester, geradezu skandalös Händels Concerto grosso g-moll op.6/6. Abgesehen davon, daß diese Stücke abgenudelt sind und, nebenbei bemerkt, nie für ein im großen Konzertsaal mit notorischer Andacht lauschendes Bürgerpublikum gedacht waren, spielte die ASM sie ohne das geringste Bemühen, sie insbesondere für jüngere Zeitgenossen irgendwie interessant zu machen.

Da waren die zwei Gegenstücke schon spannender: Schostakowitschs todtraurigschöne Kammersinfonie c-moll (eine Orchesterbearbeitung seines „dem Andenken der Opfer des Faschismus gewidmeten“ Streichquartetts c-moll) und Bartoks pastoralkräftiges Divertimento für Streicher. Von diesen im besten Sinn modernen Klassikern, die eigentlich inzwischen Basis und Ausgangspunkt sein sollten für aktuelle Klassik-Programme, war die englische Kapelle weitaus mehr gefordert.

Iona Brown, eine der drei künstlerischen Leiter der Academy, gab vom Pult aus dirigierend der Partitur Gestalt und Substanz. Das Orchester ließ die Musik reden, musizierte mit Emphase. Freilich, auch hier derselbe Mangel: Die Academy of St. Martin in the Fields gibt sich an Stellen, wo die Musik schäumen und sich vergessen müßte, zu kultiviert - es fehlen Biß und grelle Blitze. Bachs Air, die Wunschkonzertnummer schlechthin, war da auf fatale Weise genau die rechte Zugabe.

Stefan Siegert

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