Fleischgeschwulst und Sonnenopfer

■ Nie wieder Schnarchnasen: B. Ronsteins „Faces“ im Kulturladen St. Georg

Freunden und Freundinnen des Stadtteilkulturtreffpunktes ist Ronstein kein Unbekannter. Veranstalterin Christiane Orhan, als Mitarbeiterin im Laden verantwortlich für die monatlich wechselnden Ausstellungen (zuletzt eine sehr erfolgreiche mit Photographien vom Leben in St.Georg), bereitet mit ihm nun bereits die zweite Einzelausstellung. Auch in guter Erinnerung sind die Gemeinschaftsausstellungen der „Gruppe Strichnin“ in den Achtzigern und frühen Neunzigern, darunter die provozierende „Ausländer raus, Ossis rein“, zu der Ronstein seinerzeit auch das Plakat beisteuerte: Eine überlebensgroße Visage des deutschen Michels, zusammengeschweißt aus Versatzstücken von all dem was (West)Deutschland so begehrenswert macht, Mercedes-Stern und Eichenlaub, Paragraphen und Kanonen.

Möglich, daß er schon da „eigentlich keine Lust mehr“ hatte, „immer dieselben Schnarchnasen in Bonn“ abzukupfern - jedenfalls hat er damals damit begonnen, in Notizen und Skizzen Einfälle zu Gesichtern festzuhalten, die in den Zeitungskarikaturen nicht zu sehen sind, ebensowenig wie in den Cartoons für Illustrierte und Magazine. Das Angebot Orhans, nach ein paar Zeichenkursen für den Kulturladen doch auch einmal wieder eine Ausstellung zu machen, sei ihm dann „wie ein Tritt in den Hintern“ vorgekommen. Endlich weg von der Politikerkarikatur, stattdessen alltägliche und vertraute Gesichter, Fratzen und Masken, die uns eigentlich am vertrautesten sind.

Schwerpunkt der 80 Buntstiftzeichnungen, die eigens für die Ausstellung entstanden, sind dabei ein Dutzend großformatige Rahmen, in denen Ronstein jeweils vier Bilder zu einem Quartett gruppiert, das Raum für Assoziation schafft. Nicht immer ist der Zusammenhang so naheliegend wie in den vier Gesichtern aus der Abteilung „Glaube & Aberglaube“ (darunter der mit seinem Dornenkranz vermummte Jesus, zugleich Motiv des Ausstellungsplakates). Ronstein gelingt es vor allem, Farbe zur Gestaltung seiner Einfälle zwischen Karikatur und Cartoon zu benutzen, nicht nur zur poppigen Illustration. Manches psychodelische Motiv erscheint dabei vielleicht ein bißchen allzu vertraut.

Wo Ronstein aber die Farbe zum Ausgangspunkt der Umsetzung seiner Idee ins Bild macht, sind die gezeigten Zeichnungen am interessantesten. Etwa wenn er „den Nazi“ karikieren möchte, nicht als Hitler-Verschnitt, wie so oft gesehen, sondern als rosa Fleischgeschwulst in graugrüner SS-Uniform. Oder das mit grellbuntem Ausschlag buchstäblich –gezeichnete– Opfer des Sonnen-Badens am Urlaubsstrand.

Ronstein sieht in den Faces eine Möglichkeit, als Zeichner aus der engen Perspektive der Arbeit für Tagespresse und Magazine (von taz und konkret bis Auto-BILD) herauszukommen zur pointierten Darstellung von Gesichtern und Situationen. Insofern sind Faces ein Anfang, der uns vielleicht das Personal der Typen und Figuren vorstellt, die künftige Bilder „aus dem Alltag und den Alpträumen“, so die Einladung zur Ausstellung, der Städtebewohner- und bewohnerinnen bevölkern werden. Auf weiter Ronstein-Ausstellungen im Kulturladen St.Georg können wir also gespannt sein.

Über das Fehlen eines kleinen Kataloges mag uns einstweilen die jüngst erschienene Neuauflage von Ronsteins Dinner for one (zusammen mit dem Wiener Serebriakow als Texter, erschienen bei Nautilus) hinwegtrösten.

Michael Hein bis zum 14. Februar, Mo bis Do, 13 bis 18 Uhr, sonst nach Vereinbahrung. Teile der Ausstellung befinden sich im Café im Kulturladen St.Georg, das täglich bis 22 Uhr geöffnet ist.