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Algerien – der vergessene Krieg

■ Zehntausende sterben im Bürgerkrieg zwischen Militärs und Islamisten. Gestern abend ging in Algier erneut eine Bombe hoch. Ein nach Deutschland geflohener Journalist soll 18.000 Mark vorweisen – sonst droht ihm Abschiebung

Berlin (taz) – Wer einen Monat in Deutschland verbringen will, muß 1.500 Mark vorweisen können, jedenfalls wenn es sich um einen in seiner Heimat bedrohten Algerier handelt. Insgesamt 18.000 Mark „Sicherheiten“ soll der Journalist Ahmed Ziri* (50) bis zum Donnerstag zusammenbringen, sonst droht ihm die Hamburger Ausländerpolizei mit Abschiebung.

Das letzte Mal hat Ziri Algerien im August 1995 gesehen. „Mein Name stand auf allen Todeslisten, die die Islamisten im ganzen Land ausgehängt hatten.“ Mit Hilfe der deutschen Botschaft rettete er sich nach Hamburg. Dort unterstützte ihn die Stiftung für politisch Verfolgte mit einem Stipendium. Doch das ist ausgelaufen. Am 28. Januar ist Ziris Recht auf vorübergehende Zuflucht in Deutschland beendet – es sei denn, er kann genügend finanziellen Rückhalt nachweisen. Freunde und die Organisation „Journalisten helfen Journalisten“ haben gesammelt, damit Ziri noch ein weiteres Jahr nicht um sein Leben fürchten muß.

Eine dauerhafte Lösung wäre aber selbst dann nicht erreicht, wenn das Geld zusammenkommen würde. Weil der Journalist in Algerien nicht von staatlicher Seite verfolgt wird, sondern von oppositionellen Islamisten, hat er keinen Anspruch auf Asyl. Deutsche Entscheider halten sich an eine besonders enge Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention. Weil er sich keine Chancen auf Anerkennung als politischer Flüchtling ausrechnen kann, hat Ziri gar nicht erst einen Asylantrag gestellt. Er fürchtet, daß dieser ihm mehr schaden denn nützen würde – spätestens nach einer zwangsweisen Rückkehr.

Menschenrechtsorganisationen fordern angesichts des immer unübersichtlicher werdenden algerischen Bürgerkriegs einen Abschiebestopp für alle verfolgten Algerier. So appellierte gestern Pro Asyl an die Bundesregierung, endlich ihre „politisch einseitige Sichtweise“ des Bürgerkriegs zu korrigieren. Auf die Menschen, die zwischen die Fronten des Bürgerkriegs geraten und geflohen sind, warte nur die Abschiebung. Es sei längst an der Zeit, den Abschiebestopp zu verfügen und nicht weiter den staatlichen Terror in Algerien zu bagatellisieren, sagte Bernd Misović von Pro Asyl der taz. Das Auswärtige Amt betrachte den algerischen Staat nach wie vor als Garanten der inneren Sicherheit.

Unterdessen explodierte gestern abend im Zentrum Algiers erneut eine Bombe. Der Sprengsatz detonierte in einer belebten Straße. Es wurde mit vielen Opfern gerechnet. Augenzeugen berichteten von mindestens 16 Toten. „Der Krieg wird fortgesetzt und sich während des Ramadan verschärfen“, hieß es zuvor in einer Erklärung der islamistischen GIA. Gestern verhafteten deutsche und französische Polizisten in Frankreich 22 algerische Islamisten. Sie wollten angeblich Waffen in ihre Heimat schmuggeln. Thomas Dreger/Knut Henkel

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