Alles weggeworfen

■ Lübecker Brandprozeß zeigt schlampige Spurensicherung der Polizei auf

„Heute würde ich das sichern“, gab Kriminaloberkommissar Olaf Obenaus auf Nachfrage der Anwältin Gabriele Heinecke etwas kleinlaut zu. Bei „das“ handelt es sich um die zusammengeschmolzene Türfüllung aus Drahtglas, die im hölzernen Vorbau des am 18. Januar 1996 abgebrannten Flüchtlingsheimes gefunden, aber nicht sichergestellt worden war.

Das Stück Glas, das über die Temperaturentwicklung und damit möglicherweise über die Verwendung von Brandbeschleunigern hätte Auskunft geben können, blieb von den Brandermittlern als „ein Klumpen Brandschutt“ unbeachtet. Es teilt dieses Schicksal mit einem „Metallklumpen“ (Obenaus), der auch ein „Brandsatz-Zünder“ (Heinecke) sein könnte, und einer Spanplatte, die genau dort gefunden wurde, wo die Staatsanwaltschaft den Ausbruch des Feuers vermutet.

All diese Gegenstände, so sagte der als Zeuge geladene Kripobeamte gestern im Lübecker Brandprozeß aus, hätten er und seine Kollegen als „nicht ermittlungsrelevant“ eingeschätzt und einfach „weggeschmissen“. Doch damit nicht genug: Auch Glasscherben und Drähte, die im hölzernen Vorbau der Brandruine – wo die Verteidigung den Brandherd vermutet – herumlagen, wurden nicht untersucht. Die Schloßfalle der Haustür wurde nicht sichergestellt, auch fahndeten die Beamten nicht nach Fingerabdrücken oder Resten von Brandbeschleunigern im hölzernen Eingangsbereich.

Das alles erschien der Spurensicherung laut Olaf Obenaus „nicht beweiserheblich“. Schließlich könne bei einem solchen Einsatz „nicht alles gesichert werden“. Und offenbar auch nicht alles gesehen: Die Brandlöcher im Boden hinter der Eingangstür des Vorbaus habe er bei seiner ersten Begehung nicht bemerkt, sagte der Spurensicherungs-Experte gestern.

Die stärksten Brandzerstörungen, sagte der Polizeibeamte weiterhin aus, habe er im ersten Stock des zerstörten Flüchtlingsheimes in der Lübecker Hafenstraße wahrgenommen. Entschieden wies er allerdings den Vorwurf der Verteidigung zurück, er und seine Kollegen hätten nach dem Brand Spuren im Vorbau nicht gesichert, weil sie schon damals davon ausgegangen seien, daß der Brand im ersten Geschoß ausgebrochen sei. „Wir haben in alle Richtungen ermittelt“, beschwor der Beamte.

Aufschluß darüber geben vielleicht die Gutachten der Brandexperten, die ab Ende Februar in den Prozeß eingeführt werden sollen.

Marco Carini/Christian Eggers