Wildes Tier losgelassen

■ Heute im Schlachthof: „Messerknecht“, musikalisch aufregend, gar erschütternd

Gut heißt nicht gleich gut besucht oder gar gut verkäuflich. Messerknecht gehören zu den musikalisch aufregendsten Formationen der Hansestadt, wie ihre gerade erschienene, selbstbetitelte Debütsingle belegt. Kennen aber tut sie deswegen noch lange keiner. Zu Unrecht, denn die vier Bremer schaffen, was heute nur noch selten mit der verzerrten Gitarre gelingt: Sie erschüttern. Der Bandsound ist aus dem Punk gewachsen, den alle vier Messerknechte irgendwann mehr oder minder wild gelebt haben.

Die Hanseaten haben die Dynamik konserviert, die entsteht, wenn man einfach mit einer Scheißwut auf sein lnstrument eindrischt. Weil aber in einem Jahrzehnt Musikerfahrung bei Bands wie „Acid Rain Dance“ oder „Jelly Phlegma“ zwangsläufig auch spieltechnisch einiges hängen bleibt, ist der Sound komplexer geworden. Stücke bestehen nicht bloß aus Strophe und Refrain, sondern wirken gekonnt konstruiert. Ein Teil reiht sich elegant an dem anderen, rast schnurgerade am Hörer vorbei. Daß die Stücke bei aller Komplexität fließen, daß sich Messerknecht nicht im Gefrickel verstricken, belegt die Qualität dieser Formation.

„Messerknecht“ suchen beständig nach eigenwilligen Lösungen auf dem Weg durch den Song. Die dem Schlagzeugbeat entgegengesetzten Gitarrenanschläge sorgen für Dynamik, die von lang anhaltenden Akkordanschlägen ab- und aufgelöst wird.

Das klingt, als ob Mitglieder von „Helmet“ und „No Means No“ zusammen so viel saufen, daß endlich mal der Kopf abgeschaltet und das Tier im Bauch rausgelassen wird. Im ewigen Wechselspiel zwischen Treiben und Schweben wirkt die Stimme erschütternd verloren, wird vom Strudel der Musik hin- und hergerissen, mitgeschleudert. In einer Zeit, wo jede große Plattenfirma ihre „progressive“ Musikabteilung hat, schaffen es „Messerknecht“ so noch immer, gegen Komformität einen musikalischen Ausdruck zu setzen und wortlos ihre Wut auf die Enge der Normalität zu artikulieren.

Messerknechts einziges Manko: Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache fand bislang nicht statt. Die Folge: Der Messerknecht-Schriftzug steht gewohnt winzig auf den Plakaten für das Konzert am heutigen Abend, während der Spaß- und Politpunk von den Berlinern „Hans am Felsen“ in dicken Lettern angepriesen wird. L.R.

„Messerknecht“, „Hans am Felsen“ und „Spunk“ ab 20 Uhr im Schlachthof (Magazinkeller)