Frauen wollen Männer melken

O du glückliches Austria: Ein Volksbegehren in Österreich soll den Frauen mehr Geld, mehr Gleichheit und soziale Sicherheit verschaffen  ■ Aus Wien Ralf Leonhard

Die Frauen in Österreich wollen mehr Geld und mehr Macht. In einem Volksbegehren, für das im Frühjahr die Unterschriftenlisten aufgelegt werden, fordern sie, daß dem Gleichheitsgrundsatz, der in der Verfassung nur sehr allgemein formuliert ist, in allen Gesellschaftsbereichen zum Durchbruch verholfen wird. Das Unabhängige Frauenforum (UFF), ein pluralistisches Personenkomitee, möchte mit seinem Ende November präsentierten Vorstoß in Zeiten des sozialen Rückschritts trendwendende Signale setzen. Der elf Punkte umfassende Katalog, mit dem sich das Parlament befassen muß, wenn genügend Unterschriften geleistet werden, postuliert unter anderem ein staatlich garantiertes Mindesteinkommen von 15.000 Schilling (gut 2.000 Mark), die Verlängerung des bezahlten Erziehungsurlaubs, eine Grundpension unabhängig von Einkommen oder Rentenhöhe des Partners und die gezielte Förderung von Bildungsmaßnahmen für Frauen.

Unternehmen sollen öffentliche Aufträge und Förderungen nur noch dann bekommen, „wenn sie dafür sorgen, daß Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind“. Muß jedem Generaldirektor nun eine Generaldirektorin an die Seite gestellt werden? Soll jeder Abteilungsleiter zwangsweise die Hälfte seiner Funktionen an eine Frau abtreten? „Es würde schon genügen, wenn bei der Bewerbung gleich qualifizierten Frauen der Vorzug gegeben wird“, beruhigt die Journalistin und feministische Buchautorin Elfriede Hammerl, eine der Gründerinnen des Unabhängigen Frauenforums. Die Betriebe sollen zumindest einen Plan vorlegen können, wie sie die Gleichheit herstellen wollen. Frau Hammerl, die durch bissige Kolumnen über den Alltag im Patriarchat bekannt geworden ist, kann eine ganze Liste konkreter Fälle aufzählen, bei denen minder qualifizierten Männern gegenüber gut qualifizierten Frauen der Vorzug gegeben wurde. Während etwa gleich viele Frauen und Männer studieren, sind Hochschulprofessorinnen eine verschwindende Minderheit, von den Primararztposten ist weniger als ein Prozent von Medizinerinnen besetzt.

Gleichstellung bei der Teilzeitarbeit, mehr Bildungsmaßnahmen für Frauen, zusätzliche Kinderkrippen und Ganztagsheime. All das kostet Geld, und das mitten in der Rezession. Umverteilung heißt die Devise. Männerwelt zur Kasse? „Die Besserverdienenden müssen wohl zur Finanzierung beitragen“, meint die feministische Vorkämpferin, „und das sind halt mehrheitlich Männer. Von der ,Notwendigkeit‘ von neuen Panzerkäufen für das Bundesheer will ich noch gar nicht sprechen.“

Das UFF entstand nach der Demonstration zum Frauentag am vergangenen 8. März, als Elfriede Hammerl von der Redetribüne alle Interessentinnen zu einem Treffen eingeladen hatte. Es ging um die Auswirkungen des Sparpakets auf die Frauen. So wurde angeprangert, daß in Zeiten, da immer mehr Frauenarbeitsplätze den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen, das Pensionsalter für Frauen angehoben wird.

Das Echo war groß. In der daraus erwachsenen Initiative wurde die Idee zum Volksbegehren ersonnen. Nach der österreichischen Gesetzgebung bedarf es 10.000 Unterschriften oder der Unterschrift von vier Abgeordneten, um ein solches Instrument direkter Demokratie ins Rollen zu bringen. Wenn dann mehr als 100.000 Wahlberechtigte unterschreiben, muß sich das Parlament mit der Angelegenheit befassen. Wie ernst die Legislative die Sache nimmt, hängt natürlich von der Anzahl der Unterstützerinnen und Unterstützer ab. Das Volksbegehren zum Rundfunk vor über 20 Jahren, das die Berichterstattung der elektronischen Medien vom Parteienproporz befreite, konnte über 800.000 Unterschriften gewinnen – das war damals mehr als ein Viertel des Wählerpotentials. Laut einer Umfrage des Wochenmagazins News wollen annähernd zwei Drittel der Befragten das jetzige Volksbegehren „sicher“ oder „wahrscheinlich“ unterschreiben.

Auch Johanna Dohnal gehört zu den Mitinitiatorinnen des Volksbegehrens. „Die Themen, die in die Hoden gehen, sind doch immer dieselben“, befindet die berühmte Ex- Frauenministerin, die vom SPÖ- Kanzler Vranitzky vor der Zeit abserviert wurde. Die heilige Johanna des Feminismus war während der Kreisky-Ära in die Regierung gekommen und hatte zunächst die Gesetzgebung radikal entrümpelt. Sie befreite den Mann von der ihm gesetzlich zugewiesenen Rolle des Familienoberhauptes und die Frau von der Verpflichtung, den Anordnungen ihres Angetrauten Folge zu leisten. Europaweit geradezu avantgardistisch war Dohnals neue Regelung zum Erziehungsurlaub oder das Unterhaltsbevorschussungsgesetz, das den Staat verpflichtet, für flüchtige Väter mit Alimentationszahlungen einzuspringen.

Johanna Dohnal hat zwar am Text des Volksbegehrens nicht mitgeschrieben, wurde aber als Beraterin konsultiert. Für sie ist das Volksbegehren mehr als ein Schuß vor den Bug des patriarchalischen Systems. Dohnal findet es wichtig, in Zeiten der Sozialkürzungen nicht stillschweigend zurückzustecken. Bestehendes wie die Geburtenbeihilfe, das Karenzgeld im Erziehungsurlaub und die Alterssicherung für die Frau müssen erhalten bleiben, „gleichzeitig soll eine Weiterentwicklung nicht behindert werden“.

Doch auch in ihrer Partei, der SPÖ, wagen es nicht alle Frauen, gegen die Austeritätspolitik anzustinken. Während die Parlamentsfraktion der Grünen geschlossen hinter dem Projekt steht, haben sich nur einige der Sozialistinnen zur Unterschrift entschlossen. Aus der konservativen ÖVP hat keine einzige unterschrieben, doch ein gemeinsamer Aufruf der katholischen und evangelischen Frauenverbände zur Unterzeichnung des Volksbegehrens hat der Initiative den Ruch der Radikalität und Sittenwidrigkeit genommen.

Im Büro des UFF treffen täglich Briefe und Faxe mit Solidaritätsbotschaften und Mitarbeitsangeboten ein. Sogar eine Männergruppe hat sich bereits zur Unterstützung formiert. Sollte die Männersolidarität in den Parlamentsbänken die Vorlage zum Scheitern bringen, so droht das UFF mit der Gründung einer Partei. Eine eigene Frauenpartei, so eine andere Umfrage, könnte heute mit 12 Prozent der Wählerstimmen rechnen. Das ist mehr, als die Grünen zuletzt bekamen.

Kontakt: Unabhängiges Frauenforum, Weyrgasse 5/2, A-1030 Wien, Tel. 0043-1-7130206, Fax 7130207