Serbiens Regierung hält Kurs: Augen zu und durch

■ Wahlergebnisse in acht Städten anerkannt. Dennoch Unklarheit über Wahlsieger. Menschenrechtsbeauftragte der UN spricht von drohendem „Bürgerkriegsrisiko“

Belgrad (AFP/dpa/rtr/taz) – Die serbische Regierung hat gestern mit einer Verlautbarung über die Anerkennung der Wahlergebnisse für Verwirrung gesorgt. Über die amtliche Nachrichtenagentur Tanjug ließ sie erklären, auf der Grundlage der Erkenntnisse des Justizministeriums seien die Wahlen in Kraljevo, Sabac, Vršac, Jagodina, Pirot, Smederevska Palanka, Sokobanja und Pancevo ordnungsgemäß verlaufen, die Ergebnisse korrekt. In den meisten dieser Städte hatte ursprünglich die Opposition gesiegt. In Smederevska Palanka und in Sabac hatte das Oberste Gericht nach Beschwerden jedoch der Sozialistischen Partei den Sieg zuerkannt, in Niš der Opposition. In Belgrad selbst müssen die Gerichte noch entscheiden. Während ein Rechtsberater der Opposition meinte, damit habe die Regierung den Wahlsieg der Opposition klar anerkannt, meinte ein anderer, die Regierung habe damit die OSZE- Empfehlungen klar und eindeutig zurückweisen wollen. Angesichts der Eskalation der Auseinandersetzung auf Belgrads Straßen in den vergangenen Tagen, spricht vieles für die letzte Variante.

In Niš hat ein früherer Lokalpolitiker der Sozialistischen Partei die Wahlfälschungen bestätigt. „Vor den Wahlen wurden zwischen 15.000 und 20.000 gefälschte Wahlzettel verteilt, um sie in die Wahlurnen zu stecken“, sagte Branko Todorović, bisheriger Vizechef der Stadtverwaltung. Zwei der engsten Mitarbeiter von Präsident Milošević hätten den Wahlbetrug organisiert. Auch die Wahlen zum Bundesparlament am 3. November seien auf diese Weise gefälscht worden, sagte Todorović, der aus der Sozialistischen Partei ausgetreten sei.

Die Dauerdemonstration der Belgrader Studenten ist auch gestern vormittag fortgesetzt worden. Mehrere tausend Studenten stehen seit Sonntag abend einem Polizeikordon gegenüber. Mit Musik, Tanz und Fußballspielen vertreiben die Studenten sich die Zeit. Die Studentinnen veranstalteten einen Schönheitswettbewerb. Zum „Mister Absperrung“ sollte der schönste Polizist gekürt werden. Dem Protest schlossen sich die 18 Dekane der Universität sowie zahlreiche Künstler und Intellektuelle an. Am Dienstag hatten die Studenten sich an vier Plätzen in der Altstadt formiert, sich bei Erscheinen der Polizei aber sofort wieder aufgelöst. Erstmals hatten die Taxifahrer mit einem Hupkonzert die Proteste unterstützt. An der Kundgebung von Zajedno nahmen am Dienstag abend 50.000 Menschen teil. Neben Führern der Opposition hat jetzt auch die UN- Menschenrechtsbeauftragte für Exjugoslawien, Elisabeth Rehn, von einem „Bürgerkriegsrisiko“ in Serbien gesprochen. Die serbische Führung sei auf einen Kurs des „Auge um Auge und Zahn um Zahn“ eingeschwenkt.