Kapitalismus im Regenwald

Deutsch-brasilianischer Verein Salve Floresta versucht gemeinsam mit den Bewohnern des Regenwaldes, diesen zu retten  ■ Aus München Thomas Pampuch

Wenn der Brasilianer Dr. Carlos Soares Pinto (49) über die Vernichtung des Regenwaldes spricht, weiß er, wovon er redet. Fünf Jahre lang hat er in den 80er Jahren als Umweltgutachter in Brasilien gearbeitet, zum Beispiel beim großen Staudammprojekt Balbina, nördlich von Manaus. „Die Zerstörung war ungeheuer. 5.000 Quadratkilometer Wald wurden einfach überschwemmt. In dieser Richtung wollte ich nicht mehr weiterarbeiten.“ Soares, der in München Soziologie und Ökologie studiert hat, ging wieder nach Deutschland und gründete den gemeinnützigen Verein „Salve Floresta“.

Hauptziel des Vereins ist es, „Projekte zur fördern, die eine Symbiose zwischen der menschlichen Kultur und der Natur wiederherstellen“. Den Wald zu retten geht nur, wenn man den Menschen hilft, die von ihm leben. „Das Problem vieler Regenwaldgruppen ist, daß sie zwar viel Ahnung von den ökologischen Problemen haben, aber keine Ahnung von den sozialen und politischen Problemen in Brasilien. Da gibt es Goldgräber, Großgrundbesitzer, Tropenholzhändler, Viehzüchter, da werden Leute umgebracht. In Brasilien bestimmen 100 Familien, und die verteidigen mit allen Mitteln ihr Land.“

Häufig kämen die Umweltschützer aus Europa und wollten Land kaufen, um den Regenwald zu schützen. „Doch das ist pure Naivität!“ so Soares. Oft genug sei es vorgekommen, daß der Verkäufer anschließend die Indianer aus diesem Land vertrieben habe.

„Manche scheinen zu denken: Die Menschen sollen aus dem Regenwald raus, und dann bleibt er erhalten. Aber Regenwald ohne Menschen, das geht nicht. Du mußt sie einbeziehen!“ Die Frage ist, wie. Welthandel bedeutet für Soares nur Ausbeutung der armen Länder und der Natur. Dagegen setzt er sein Modell eines „ökologischen Kapitalismus“. „Wir arbeiten nicht karitativ, sondern erfolgsorientiert. Die Menschen müssen motiviert sein. Sie sollen verdienen, Gewinne machen und nicht am Spendentropf hängen. Der Unterschied aber ist, daß erstens nur produziert und verkauft wird, was die Natur nicht zerstört, zweitens der Profit in weitere ökologische Projekte investiert wird und drittens niemand ausgebeutet wird.“

„Floresta Naturwaren“ heißt der „kapitalistische“ Arm des Vereins, der den Handel mit Produkten aus dem Regenwald betreibt: Handwerk, Paranuß- und Andirobaöle, Parfüms, getrocknete Mangos, Ananas und Bananen. Partner sind vor allem kleine Kooperativen im Regenwald, die den Preis, zu dem sie verkaufen, selbst bestimmen. Floresta Naturwaren organisiert den Transport und den Vertrieb in Deutschland direkt, ohne Zwischenhändler. So bleiben nach Abzug der Kosten rund 35 Prozent des Endpreises in Brasilien.

Gewinn will man dennoch machen: Denn 10 Prozent des Verkaufserlöses werden in Regenwaldprojekte von Salve Floresta investiert. „Wer die Produkte kauft, weiß, daß dahinter Menschen stehen, die nicht ausgebeutet werden und die den Wald schützen.“

Der Wahlmünchner sucht in Brasilien ständig neue Projekte. In Zentralbrasilien hat er gemeinsam mit einer Indianerorganisation ein Ausbildungszentrum eingerichtet, in dem nicht nur alphabetisiert wird, sondern auch das alte medizinische Heilpflanzenwissen der Indianer gesammelt und vermarktet werden soll.

Lieblingsprojekt von Soares ist die Regenwald-Akademie in der Mata Atlantica (dem atlantischen Küstenwald). Vor dem Erdgipfel 1992 in Rio sind die Reste der Mata Atlantica unter Naturschutz gestellt worden. Viele der dort lebenden Menschen müssen seither ihr Leben umstellen. „Das aber ist auch eine Chance für die nächste Generation, denn sie kann mit der Schönheit dieses Waldes Geld verdienen: mit Öko-Tourismus, mit Handwerk und mit nachhaltiger Bewirtschaftung.“

Seinen Lebensunterhalt verdient Soares Pinto mit Vorträgen. Mit einem mobilen Indianermuseum und einer Wanderausstellung „Brennpunkt Regenwald“ reist er von Schule zu Schule, von Rathaus zu Rathaus. Berührungsängste hat er nicht. „Lobbyarbeit bei Leuten, die an den Hebeln sitzen, gehört dazu.“ Wenn Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber demnächst die Regenwald- Akademie besucht, dann freut sich Soares – wieder ein Schritt auf dem langen Marsch zum „ökologischen Kapitalismus“.