Diktatoren, Spezies und MTV

■ Der Wettbewerb zur Kampnagel-Randbebauung kürte einen schlechten unter schlechteren Entwürfen

Ein bekannter Hamburger Architekt, Mitglied der Jury für den Wettbewerb „Medienpark Kampnagel“ (Baubeginn frühestens ab April), brachte die Qualität der eingereichten sechs Arbeiten während der Sitzung am 19. Dezember letzten Jahres auf den knappen Nenner „Alles Scheiße!“ und empfahl den Abbruch. Doch natürlich wurde das Verfahren trotzdem fortgesetzt und endete mit einem denkbar knappen Resultat (7 zu 6) und diversen empörten Juroren.

Von einer „unverschämten und diktatorischen Leitung“ durch den Oberbaudirektor Kossak, der mit „massivem Einfluß“ die Investoren dazu gebracht habe, mit ihm und dem Stadtplaner des Bezirks, Fiebig, gegen ihre ursprüngliche Überzeugung und für den Entwurf des Münchner Architekten Otto Steidle zu stimmen, berichteten gleich mehrere Mitglieder der Kommission im Anschluß. Kossak, der auch ein Buch über Steidle geschrieben hat, habe „alle anderen Meinungen niedergemacht, um seinen Spezi durchzudrücken.“

Auch die Jury-Mitglieder des Bezirks, die bei der Vorstellung des Wettbewerbsergebnisses am Donnerstag abend anwesend waren, zeigten sich „sehr enttäuscht“ von dem Standard der Arbeit ausgewählter Stararchitekten. Und nach Ansicht der ersten drei Preisträger (1. Otto Steidle & Partner, München, 2. Andreas Christian Hühn, Hannover, 3. Alsop & Störmer, Hamburg und London) kann man dem zornigen Eingangsredner nur zustimmen. Keiner der drei prämierten Entwürfe löst auch nur annähernd die sensible Problematik der Nachbarschaft mit der Kulturfabrik – und am wenigsten gelingt das sicherlich dem Sieger des Wettbewerbs.

Steidle zieht drei Büroriegel von der Barmbeker Straße her kammartig auf das Gelände und endet bei einem Abstand von 3 (!) Meter vor den Hallen. Hühn dagegen, von Kampnagel, der Kulturbehörde und dem SPD-Abgeordneten Jan Quast befürwortet, schafft mit einem klaren Doppelblock wenigstens eine platzartige Qualität vor den Hallen, wenn er auch, wie Steidle, die Sichtanbindung des Theaterbetriebes an die Straße nicht löst. Alsop & Störmer schlagen hier wenigstens eine Promenade vor, gefaßt von sehr schönen und originellen „Pilz“-Bauten, die aber verkehrstechnisch große Probleme aufwirft. Da Hühn eine katastrophal gewöhnliche Fassadengestaltung vorschlug und Steidles verspieltes und buntes Modell mit Sicherheit optisch am besten zu Kampnagel paßt, war die Entscheidung letztendlich eine vordringlich ästhetische.

Dennoch ist Steidles Entwurf unter einem zynischen Gesichtspunkt der würdige Preisträger: Durch seinen kleinteiligen und lockeren Aufbau läßt sich mit diesem Design problemlos alles auch ganz anders machen. Und genauso kommt es jetzt: Denn zu den von der Jury empfohlenen grundsätzlichen Überarbeitungen – Mindestabstand zu den Hallen von 9 Metern, schlankere Riegel und bessere Sichtbeziehung für Kampnagel – kommt jetzt hinzu, daß neben Pro 7 auch der Musikkanal MTV seine Zentrale auf das Gelände verlegen will. Da MTV wie bisher in London am Kanal residieren möchte und zudem eine Halle braucht, muß das Konzept komplett überarbeitet werden. Dafür würden dann die letzten Wohnblöcke, die Steidle am Kanal noch vorsieht, wohlgeopfert werden (was erstaunlicherweise ohne empörte Schreie aus den Reihen der SPD verkündet wurde).

Bis zur Ausstellung des Wettbewerbs am 12. Februar auf Kampnagel soll das Münchner Büro die neue Version fertig haben. Dann kann man nur hoffen, daß Steidle, der sicher zu den originellsten Entwerfern in Deutschland zählt, aus dem knappen Ergebnis gelernt hat, daß es an dieser Stelle nicht nur Investoreninteressen zu berücksichtigen gilt.

Till Briegleb/ Foto: H.Scholz