Pipifax-Parlamente

■ Auch nach der Reform sind Hamburger Bezirke weniger autonom als Berliner

Mehr Demokratie wagen? Die PolitikerInnen vor Ort selbständig entscheiden lassen? Was Helmut Raloff, Staatsrat a.D., von BezirkspolitikerInnen hält, ließ er auf der Anhörung des Rechtsausschusses zum Thema „Bezirksverwaltungsreform“ am Donnerstag abend deutlich durchblicken: sich selbst überschätzende, nervige und verantwortungslose Idioten.

Nach der Verfassung sei klar: Hamburg ist eine Einheitsgemeinde, und die Bezirke sind formal nichts anderes als eine dezentrale Verwaltungseinheit, Abgeordnete inklusive. Deshalb findet Raloff die Senatsdrucksache zur Bezirksverwaltungsreform, bei der er selbst Geburtshelfer war, auch gut. Denn de facto verändert sich wenig.

Weiterhin ist die Bezirksversammlung bestenfalls ein politischer Übungsplatz für geplante Karrieren in der Bürgerschaft. Etwas mehr Kompetenzen als vorher, doch bei wichtigen Entscheidungen kann der Senat jederzeit die Sache übernehmen: „Evokationsrecht“ heißt das.

Auch Berlin ist eine „Einheitsgemeinde“. Richtige Kommunalparlamente sind die Bezirke nicht, aber auch nicht nur Vollstreckungsorgan einer Zentralregierung. Die Allmacht des Hamburger Senats als „Steuerungsaufsicht“ zu bezeichnen, wie ein Berliner Verwaltungsrechtler es tat, sei eine „Schönfärberei der Senatsdrucksache“, so Heribert Gawin (CDU) aus Berlin-Wedding.

Der Berliner war zusammen mit zwei anderen Bezirkspolitikern zur Hamburger Anhörung gekommen. „Hätten wir solche Texte, wären wir an Atemnot schon erstickt.“ Sicher, auch in die Berliner Bezirke regiere der Senat gern hinein, dennoch gebe es eine weitaus größere Eigenständigkeit als in Hamburg.

Mit der Reform vor drei Jahren hätte man die Doppelarbeit erheblich reduziert, ergänzte der Berliner Grüne Oliver Schruoffenegger. Der Hamburger Reformansatz lasse das nicht erkennen. Um eine Entscheidung im Zweifelsfall zu übernehmen („evozieren“), müssen die Zentralbehörden alle Vorgänge der Bezirke mitbearbeiten.

Der Berliner Vergleich illustrierte deutlich, daß die Hamburger Bezirke weiterhin am Gängelband des Senats geführt werden. Die zweite Lesung des Reformwerks soll noch in diesem Jahr durch die Bürgerschaft gebracht werden. Der große Wurf wird es nicht.

Silke Mertins