„Planung für die nächsten hundert Jahre“

■ Diskussion um den Masterplan: Privateigentum an Boden als Hindernis oder Wegbereiter der Stadtplanung? „Streit um das Selbstverständnis der Hauptstadt“

Als „vermintes Gelände“ beschrieb Moderator Ralf Fücks den Streit um die Berliner Mitte und damit, so Fücks, „um das Selbstverständnis der neuen Hauptstadt“. Auf einer von der Heinrich- Böll-Stiftung organisierten Podiumsdiskussion ging es am Donnerstag abend erneut um das „Planwerk Innenstadt“. Hans Stimmann, Staatssekretär für Stadtentwicklung, beschrieb einen Wertewandel: Die soziale Wohnungsfürsorge sei am Ende, das Bild einer kommunalisierten Stadt überholt. Städtebaupolitik müsse nun von Gesellschaftspolitik entkoppelt werden. Seine Haltung zu Privateigentum, zu privatem Raum habe sich verändert. Er wolle nicht über Grundsätze diskutieren, sondern über ein aus Grundsätzen abgeleitetes Bild.

Dies sah die Kunsthistorikerin Simone Hain anders: Sie habe sich entschieden, nicht nur Kritik in Einzelpunkten zu üben, sondern radikalen Dissens anzumelden. Es müsse eine Grundwertedebatte geben, unterschiedliche Erfahrungen und Lebenswelten in dieser Stadt müßten berücksichtigt werden.

Zeit-Redakteur Klaus Hartung verteidigte die Notwendigkeit des Planens mit der Überzeugung, „daß wir alle unter dem deprimierenden Ist-Zustand leiden“. Die Nachkriegsmoderne – „ein Akt schlichter Barbarei“ – sei gescheitert. „Und was ist in zehn Jahren mit der Fischerinsel, wenn die Leute weg sind – dann kommt der Abriß.“

Trotz Stimmanns Bemerkung, es gebe „keinen empirischen Beleg dafür, daß aus endlosem Diskurs mit Bürgern eine schöne Stadt entsteht“, äußerte die baupolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Bundestag, Franziska Eichstädt- Bohlig, scharfe Kritik am Verfahren. Das Planwerk ordne sich ein in einen Planungskolonialismus. Sie stellte eine Ost-West-Spaltung bei der Diskussion um ein Leitbild fest und fühle sich selbst bei der Diskussion um das Planwerk „gespalten“. Anders als Hain („Ich meine, daß eine Stadt, die auf Privateigentum beruht, nicht die bessere Stadt ist“) wünsche sie sich kleinteiliges Privateigentum als Leitbild. Es gehe jedoch nicht nur um die Parzelle als räumliche Gliederung, sondern um die Frage, wem die Stadt gehöre.

Neben der Forderung nach einer Grundsatzdiskussion über die Ziele war ein zentraler Diskussionspunkte die Frage, wer in der Innenstadt wohnen und wie das Planwerk ökonomisch realisierbar sei. Stimmann setzt auf den neuen Bauherren – „also auf uns selbst“: Das Wohnen in der Innenstadt müsse möglich gemacht werden „nicht für die Ärmsten, sondern für die, die aus der Stadt flüchten“.

Die Stadtplanerin Susanne Jahn erinnerte daran, daß die moderne Stadt und der soziale Wohnungsbau auch Folge einer Diskussion der Eigentumsformen gewesen sei. Nicht nur sie fragte, wer denn der „normale Bürger“ sei. „Wer kann sich 5.000 Mark für den Quadratmeter leisten?“ In den Bezirken kämen schon jetzt Anfragen nach Grundstücken und Preisen, so ein Beitrag aus dem Publikum. Die roten Blöcke auf dem Plan wecken Begehrlichkeiten.“

Hans Stimmann bescheinigte dem Planwerk eine Qualität, die gut sei für die nächsten 100 Jahre. Allerdings gab er zu, daß alles von der ökonomischen Grundlage abhänge: „Da sind wir am unsichersten.“ Ulrike Steglich