War Cindy Engländerin?

■ Das an BSE erkrankte Rind Cindy war angeblich eine direkt aus Großbritannien importierte Kuh. Die Überprüfung der Rinder-Wege in Deutschland ist lückenhaft

Berlin / Bonn / München (taz/ dpa / AP / AFP) – Wurde die BSE- Kuh Cindy mit ihrer Tochter verwechselt? Inzwischen verdichten sich die Hinweise, daß Kuh und Kalb auf dem Weg durch Deutschland von den Behörden verschiedener Bundesländer verwechselt wurden. Das bestätigte gestern das Bundeslandwirtschaftsministerium. Damit wäre das BSE- Rind aus Höxter nicht das erste in Deutschland geborene Tier, das am Rinderwahn erkrankt ist.

Das jüngst bekanntgewordene BSE-Tier könnte direkt aus Großbritannien nach Deutschland gekommen sein, hatte Landwirtschaftsminister Jochen Borchert schon am Donnerstag abend gesagt. Mit seinem niederländischen Kollegen Jozias van Aartsen hatte Borchert über Cindy und ihre Mutter gesprochen. Ursprünglich war man davon ausgegangen, daß Cindys Mutter 1996 in die Niederlande verkauft worden war. Sie wurde dort geschlachtet und gegessen. Wenn diese Kuh jedoch die Tochter war, kann Cindy nur die Mutter gewesen sein. Die wiederum ist nach bisherigen Erkenntnissen 1990 aus Großbritannien nach Löningen (Kreis Cloppenburg) in Niedersachsen gekommen. Die Kuh könnte somit schon vor ihrem Grenzübertritt mit BSE infiziert gewesen sein.

Von Lönningen wurde das Tier an einen Betrieb in Mecklenburg- Vorpommern verkauft. Dort wurden die Daten verändert, wie ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministers gestern zur taz sagte. Eine Stellungnahme aus dem dortigen Landwirtschaftsministerium war gestern nicht zu bekommen. Borchert gestand unterdessen ein, daß die bisherige Identifizierung „nicht ganz zutreffend“ gewesen sei. Eine genaue Bestimmung über das Mutter-Tochter- Verhältnis soll eine Genom-Analyse bringen.

Die Wissenschaftler der Universität Bonn vergleichen zur Zeit die Erbanlagen des an BSE erkrankten Tiers mit den Genen der mutmaßlichen Schwester und dem als Vater ermittelten Novum. Ein Ergebnis wird erst in frühestens einer Woche vorliegen. Sollte sich dabei herausstellen, daß BSE doch von der Kuh aufs Kalb übertragen wurde, werden auch alle Nachkommen der importierten Rinder getötet.

Bislang geht das Landwirtschaftsministerium davon aus, daß 5.200 importierte Galloway-Rinder aus Großbritannien und der Schweiz getötet werden müssen (siehe Kasten Seite 7). Landwirtschaftsminister Borchert hatte am Mittwoch eine Eilverfügung über die Tötung erlassen, nachdem am Wochenende in Höxter das Galloway-Rind mit BSE entdeckt worden war. Zehn andere Tiere derselben Herde wurden sofort getötet.

Borchert und der noch amtierende Präsident des Deutschen Bauernverbands, Constantin Freiherr von Heeremann, forderten unterdessen einen EU-weiten Herkunftsnachweis. Seit den liberalisierten Zollgrenzen innerhalb der Europäischen Union brauchen Rindviecher keine Papiere mehr. Innerhalb Deutschlands ist ein Rinderpaß hingegen vorgeschrieben. Kommt das Tier aus dem Ausland, ist der sichere Nachweis von Geburt bis Schlachthof allerdings nicht belegbar.

Der bayerische Landwirtschaftsminister, Reinhold Bocklet, fürchtet, daß BSE-verseuchtes Tiermehl auf dem Schwarzmarkt erhältlich sei. Deutsche Rinder seien nicht vor der Krankheit geschützt, obwohl es in Deutschland verboten ist, Tiermehl an Rinder zu verfüttern. ufo