Eine Baustelle für die Menschheit

■ Der spanische Bildhauer Eduardo Chillida möchte auf Fuerteventura einen vulkanischen Berg aushöhlen, sehr zum Ärger der örtlichen Umweltschutzverbände

Eduardo Chillida hat sich auf seine alten Tage noch einmal verliebt – in einen erloschenen Vulkan. „Jeder Berg ist anders, wie den Tindaya gibt es nur wenige“, schwärmt der 72jährige Bildhauer für den Gipfel auf Fuerteventura. 250 Meter erhebt sich der Tindaya in sanft geschwungenen Linien über die Ebene der Afrika am nächsten gelegenen Kanarischen Insel.

Sein Grundriß, ein fast perfektes Oval – 1.350 Meter in eine Richtung, 850 in die andere –, inspiriert den spanischen Bildhauer zu seinem größten Werk, gleichsam als Krönung seiner künstlerischen Laufbahn. Er möchte den Vulkan aushöhlen. Ein würfelförmiger Raum mit 50 Meter Kantenlänge, groß genug, um das Pantheon von Rom aufzunehmen, soll entstehen. Zwei Löcher nach oben sollen Sonne und Mond Gelegenheit bieten, den Kubus auszuleuchten. Ein seitlicher Stollen sorgt für den freien Blick auf Meer und Horizont und dient zugleich als Eingang. „Einen Innenraum schaffen, der den Menschen aller Rassen und jeder Hautfarbe als großes Denkmal der Toleranz dient“, schwärmt Chillida.

Doch statt Verständigung fördert der Bildhauer mit seinem Projekt bloß Zwietracht auf der Insel. Während die kanarische Regionalregierung begeistert zustimmt und bereits die Bergbaurechte erstand, stellt sich der Zusammenschluß der Umweltschutzverbände der Insel, Ben Magec, gegen das Projekt Chillidas.

Der Tindaya war einst heiliger Ort der kanarischen Ureinwohner, der Guanches, lautet ihr Gegenargument. In Steinplatten eingemeißelte prähistorische Zeichnungen auf dem Gipfel zeugen davon. Die Kultstätte ist in Richtung auf den Teide auf Teneriffa – mit seinen 3.718 Metern höchster Vulkan des Archipels – orientiert und diente der Anbetung des Sternenhimmels.

„Es gibt nur etwa zehn ähnliche Fundstellen weltweit. Und die wichtigste ist die vom Tindaya“, beschwert sich Ben-Megac-Sprecher Eugenio Reyes. „Eine Zerstörung, bezahlt mit dem Geld aller Kanaren“ wollen die Umweltschützer auf keinen Fall hinnehmen. Um Chillida dennoch zufriedenzustellen, schlägt Reyes ihm vor, das Projekt am etwas weiter entfernt liegenden Bermeja zu verwirklichen.

In einem Gespräch mit dem Tindaya

„Wenn nicht hier, dann nirgendwo“, lautet Chillidas knappe Antwort. Zwar habe er anfänglich von den Steinplatten nichts gewußt, würde ihnen jedoch jetzt Rechnung tragen, beteuert der Bildhauer, der sich in seinem künstlerischen Anliegen mißverstanden fühlt. In „einem Gespräch mit dem Berg“ habe er beschlossen, Kubus und Lichtschächte ein Stück zu verschieben, um so das kulturelle Erbe in sein Kunstwerk mit einzubeziehen. Eine Wanderausstellung mit Modell und Zeichnungen soll dies verdeutlichen. Von Fuerteventura geht es im Februar nach Madrid, danach in die Länder, aus denen ein Großteil der jährlich eine Million Touristen auf Fuerteventura kommt, nach Deutschland und in die Schweiz. Ausführliche Interpretationen der Steinmalereien auf dem Tindaya dürfen natürlich nicht fehlen. Fuerteventura brauche ein Monument als kulturellen Bezugspunkt, versucht Chillida den 35.000 Einwohnern, die fast ausschließlich vom Tourismus leben, sein Projekt schmackhaft zu machen. Und natürlich sorge der Eingriff auch für Arbeitsplätze: „Die Bergarbeiter bauen die Steine ab, ich schaffe den Hohlraum. Diese Baustelle ist für die Menschen, denn wir sind alle Brüder.“ Daß die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht gerade billig kommt, verschweigt Chillida. Laut Ben Magec wird die kanarische Regierung maximal die Hälfte der für die Bergbaulizenz bezahlten einen Million Mark mit dem Verkauf der Steine wieder hereinholen.

Das Kräftemessen zwischen Chillida und den Umweltschützern scheint unausweichlich. Denn solange der Bildhauer nur die geringste Möglichkeit sieht, daß es am Ende klappt, will er „alle nur erdenklichen Proteste durchstehen“. Um es erst gar nicht zu anderen als verbalen Auseinandersetzungen kommen zu lassen, fordert Ben Magec jetzt König Juan Carlos I. auf, ein Machtwort zu sprechen, um so Eduardo Chillida Einhalt zu gebieten. Reiner Wandler