Süd-Korea will keinen Atommüll aus Taiwan

■ Nie war man sich in der Regierung und unter Umweltschützern so einig

Berlin (taz) – In Süd-Korea wächst der Widerstand gegen die geplante Lagerung von Atommüll aus Taiwan in Nord-Korea. Die südkoreanische Regierung und Umweltschützer bezweifeln, daß der Norden den taiwanesischen Nuklearmüll sicher transportieren und lagern kann. Außerdem wird in Süd-Koreas Hauptstadt Seoul befürchtet, daß man im Falle einer Wiedervereinigung mit dem Norden für den strahlenden Müll aufkommen muß. Nord-Korea ist praktisch bankrott. Die Regierung in Seoul hat deshalb in den vergangenen Tagen mehrfach gegen das taiwanesische Atommüllgeschäft protestiert. Südkoreanische Regierungssprecher haben die taiwanesische Regierung in Taipeh mit Gegenmaßnahmen gedroht. Auch wolle Seoul den Fall vor die Internationale Atomenergiebehörde bringen.

Ursache des Streits ist eine Vereinbarung zwischen der staatlichen taiwanesischen Elektrizitätsgesellschaft Taipower und der norkoreanischen Regierung. Darin wird in den nächsten zwei Jahren die Lagerung von 60.000 Fässern Nuklearmüll in Nord-Korea vereinbart. Schon Ende Februar will Taiwan die erste Lieferung losschicken. Taipower hat darüber hinaus eine Option auf weitere 200.000 Fässer schwach radioaktiven Mülls. Taiwans Lagerkapazitäten sind erschöpft. Nachdem die Bevölkerung eine Erweiterung des bestehenden Lagers verhinderte, mußte sich Taipower verpflichten, das Lager bis 2002 zu schließen. Wieviel Taipower an Nord-Korea zahlt, läßt sich nur schätzen. Taiwans Medien nennen 1.150 US-Dollar pro Faß. Der taiwanesische Nuklearmüll soll in einem ehemaligen Bergwerk bei Pyongsan gelagert werden – 91 Kilometer nördlich der südkoreanischen Zehn-Millionen-Einwohner-Metropole Seoul. Die taiwanesische Regierung hat Süd-Korea zur Mäßigung aufgerufen und sich politische Einmischung verbeten. „Es handelt sich um eine legale, rein geschäftliche Angelegenheit zwischen Taiwan und Nord-Korea. Sie hat mit Süd- Korea nichts zu tun“, sagte ein Taipower-Sprecher. Süd-Koreas Atommüll sei das eigentliche Problem für die koreanische Halbinsel. In Süd-Korea sind gegenwärtig zehn Atomkraftwerke in Betrieb, sechs weitere im Bau. Auch die Regierung in Seoul hat große Probleme, geeignete Lagerstandorte für den Atommüll zu finden.

Während im stalinistisch regierten Nord-Korea gegen das Atommüllgeschäft keine Proteste zu befürchten sind, laufen Süd-Koreas Umweltschützer Sturm. Am vergangenen Samstag verbrannten sie bei einer Demonstration vor der inoffiziellen taiwanesischen Vertretung in Seoul taiwanesische Fahnen und Puppen des taiwanesischen Präsidenten Lee Teng-hui. „Die taiwanesische Regierung versucht ihr Atommüllproblem zu lösen, indem sie von der Hungersnot in Nord-Korea profitiert“, sagte der Generalsekretär der Umweltorganisation Green Korea, Jang Won. In dieser Woche wollen sechs Aktivisten seiner Organisation vor dem Taipower-Sitz in Taipeh mit einem fünftägigen Hungerstreik gegen das Atommüllgeschäft protestieren. Sie werden dabei von taiwanesischen Umweltschützern unterstützt. Die Koreanische Föderation der Umweltbewegung (KFEM) ruft zum Boykott taiwanesischer Waren auf. Außerdem habe man die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace um Unterstützung gebeten. Sven Hansen