Der Jazz und der Stress mit dem Visum

■ Das Monsun Theater lädt zu einem Wochenende mit russischen Gästen ein

Fast hätte Heinz-Erich Gödecke sein Jazzfestival umbenennen müssen. „Ein gästeloses Wochenende“ wäre noch vor ein paar Tagen der passende Titel für die Veranstaltung im Monsun Theater gewesen. Aber 48 Stunden vor Beginn haben die eingeladenen Musiker doch noch ihr Visum bekommen, und das Festival darf weiter Ein Wochenende mit russischen Gästen heißen.

Ein Schlagzeuger, ein Trompeter und ein Saxophonist aus Rußland kommen nach Hamburg, um gemeinsam mit Gödecke und zwei anderen deutschen Musikern zu spielen. Was nach Experiment klingt, hat im vergangenen Herbst bei einem Jazzfestival im russischen Archangelsk begonnen. Da spielte das Sextett zum ersten Mal zusammen – nannte sich Archangelsk-Workshop-Ensemble und probte im Zug von Moskau zum Konzertort.

„In einem völlig überheizten Zug“, bemängelt Heinz-Erich Gödecke. Bei seinen zwölf Rußland-Tourneen hat der Musiker gelernt: Eisenbahnwaggons sind immer überheizt, Festivals selten gut organisiert und Visa nie problemlos zu bekommen. Doch auf die russischen Musiker singt der Hamburger nur Lobeshymnen und bestätigt dabei jedes Klischee: gastfreundlich seien sie, emotional und gesellig. Als Gödecke 1991 zum ersten Mal nach Rußland kam, habe er sich oft gefragt, woher seine Gastgeber all das nahmen, womit sie ihn bedienten. Denn reich sind nur wenige, die meisten brauchen mehrere Jobs gleichzeitig. „Für viele Musiker ist es deshalb schwer, Gelegenheit zum Proben zu finden“, erzählt Gödecke. „Zeit ist Geld, und in den Probestunden könnte man auch arbeiten.“ Professionell seien die russischen Jazzer trotzdem, und einen Unterschied zur Arbeit deutscher Künstler mag Gödecke nicht erkennen.

Das gilt für Musiker ebenso wie für den Moskauer Tänzer Oleg Soulimenko, männlicher Protagonist in dem Tanztheater-Stück Unter dem Wald, für das Goedecke die Musik komponierte. Der Russe tanzt gemeinsam mit der Hamburgerin Cornelia Georgus, die zum Üben und für Auftritte regelmäßig nach Rußland fährt. Die beiden Tänzer wollen Unter dem Wald am Wochenende in Hamburg zeigen.

Auch Soulimenkos Reise zum Wochenende mit russischen Gästen stand bis vor kurzem auf der Kippe. Für die Visa, erfuhr Gödecke vor einer Woche, müsse er eine Original-Einladung nach Rußland schicken. Ein Fax reiche da nicht. Dumm nur, daß Post nach Rußland einen Monat braucht... Dafür, daß alles noch geklappt hat, wird Gödecke den privaten Paketdiensten vermutlich lange dankbar sein.

Jetzt müssen seine Gäste nur noch in Hamburg ankommen. Und zwar samt ihren Instrumenten. Vor einigen Jahren stand ein Musiker am Konzertabend trompetenlos da – der russische Zoll weigerte sich, das Instrument durchzulassen.

Judith Weber

Monsun-Theater; Tanztheater heute, 20 Uhr, Jazz-Sextett Sonnabend/Sonntag, 20 Uhr