Hamburgs Rechtsextremisten im Wandel

Im Eiltempo verändert sich die rechtsextreme Szene in der Hansestadt. Während Parteistrukturen, teils durch Verbote, teils durch interne Erosion eine zunehmend geringere Rolle im braunen Netzwerk spielen, wird der Zusammenhalt der rechten Szene zunehmend über Medien, Treffpunkte und Einzelpersonen gesteuert.

Bislang letzter Höhepunkt des rechten Wandels: Die Auflösung der Hamburger „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) um Jan Zobel und das Brüderpaar André und Glenn Goertz am 18. Januar. Der Selbstauflösung waren wiederholt Konflikte zwischen dem Bundesvorstand und dem Hamburger Landesverband um den rechten Weg vorausgegangen (taz berichtete).

Mit der JN verschwindet die letzte relevante Groß-Organisation mit parteiähnlichen Strukturen von der Hamburger Bühne. Zuvor waren 1995 die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) und die „Nationale Liste“ (NL), der auch die bekannten Hamburger Neonazis Thomas Wulff und Christian Worch angehörten, verboten worden. Nachdem die Wahlparteien „Republikaner“ und „DVU“, denen die Wahlforscher keine Chancen bei den Bürgerschaftswahlen im September einräumen, an Bedeutung massiv verloren, haben sich in den vergangenen Jahren neue, nicht parteigebundene Strukturen in der extremen Hamburger Rechten herausgebildet.

Eine wichtige Koordinations-funktion nimmt die Neonazi-Fanzine „Hamburger Sturm“ ein. Das vor zwei Jahren von Neonazis aus Bramfeld, Farmsen, Bergedorf und Tostedt unter dem Namen „Bramfelder Sturm“ entwickelte Blatt hat die Nachfolge des ehemaligen Organs der verbotenen Nationalen Liste (NL), des „Index“, angetreten. Herausgegeben wird das Propagandablatt von ehemaligen „NL“-Mitgliedern um den Bramfelder Thorsten Bärthel, die als „Patriotische Jugend“ unter einer Postfachadresse in Henstedt-Ulzburg zu erreichen sind.

Der „Hamburger Sturm“ führt organisatorisch ein breites Spektrum von rechten HSV-Hooligans bis hin zu aktiven Neonazi-Kadern zusammen. Neben Interviews mit den ehemaligen NL-Führern Christian Worch und Thomas Wulff und anderen Anleitungen zur faschistischen Theoriebildung nehmen Berichte über Nazi-Skinmusik breiten Raum in der Postille ein. Bei der Verbreitung rechten Liedgutes ist vor allem Worch-Intimus Thorsten de Vries mit seinem „Streetlabel“ aktiv, das er in seiner Wohnung in der ehemaligen NL-Parteizentrale in Lohbrügge betreibt.

Die Bedeutung der Nazi-Musikszene für die Massenverbreitung rechtsextremen Gedankengutes belegen jüngste Ermittlungen der Itzehoer Staatsanwaltschaft. Die ließ am Dienstag zwei Männer aus Pinneberg und Hamburg verhaften, denen sie Volksverhetzung vorwirft. Bei zahlreichen Hausdurchsuchungen stellten die Ermittler nicht weniger als 100.000 CDs mit rechtsradikalen Texten sicher.

Zur zentralen Anlaufstelle der „nationalen Bewegung“ hat sich in den vergangenen Jahren der Laden „BUY OR DIE“ in Lohbrügge entwickelt, in dem Klamotten und Embleme für die rechte Szene verkauft werden. Die Inhaber, das Brüderpaar Michael und Hans „Hansi“ Grewe, organisieren zur Vernetzung der Szene überdies Fußballturniere, an denen Mannschaften mit richtungsweisenden Namen wie „Aria Bramfeld“ und „Kameradschaft Handorf“ teilnehmen.

Diskreter agieren die Hamburger Burschenschaften. Rechtsorientierte Verbindungen wie „Germania“, „Hansea-Alemania“, „Askania“ und „Teutonia“ veranstalten Diskussionen mit Prominenten der „Neuen Rechten“ und halten Verbindung zu Vertriebenenverbänden und zum Lesekreis der Rechtsaußen-Postille „Junge Freiheit“.

Stiller ist es auch um den Blankeneser Rechts-Anwalt Jürgen Rieger geworden. Seit er vor eineinhalb Jahren ein Landgut im schwedischen Sveneby gekauft hat, wo er Rinderzucht und biodynamischen Anbau betreibt, kommt nicht nur der Verfassungsschutz zu der Auffassung, „daß Riegers politische Tätigkeiten und damit zusammenhängende anwaltschaftliche Geschäfte ... abgenommen haben“.

Marco Carini/Andreas Speit