Umwelt-Strafzettel für Deutschland

EU-Kommission fordert tägliche Geldstrafen wegen Verschleppung des europäischen Umweltrechts. Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs kann aber noch Jahre dauern  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Wer nicht hören will, soll fühlen. In einem bisher einmaligen Schritt hat die EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg beantragt, die Bundesrepublik zu einer Geldstrafe von täglich rund 850.000 Mark zu verurteilen. Der Grund ist, daß die Regierung in Bonn drei EU-Umweltrichtlinien trotz gerichtlicher Aufforderung noch immer nicht in nationales Recht umgesetzt hat. Konkret geht es um eine Vogelschutzrichtlinie aus dem Jahre 1979 sowie die Gewässer- und Trinkwasserschutzrichtlinie.

In allen drei Fällen hat der Europäische Gerichtshof bereits 1990/91 festgestellt, daß Bonn mit seiner Untätigkeit EU-Recht verletzt. Seit dem Maastrichter Vertrag hat die Kommission die Möglichkeit, dafür Geldstrafen zu verhängen, und zwar für jeden Tag, den die Umsetzung auf sich warten läßt. Allerdings muß der EuGH die Strafen für jeden einzelnen Fall bestätigen. Erst dann werden die Tage gezählt. Neben der Bundesrepublik soll auch Italien wegen Schlampereien bei der Abfallbeseitigung und beim Strahlenschutz zur Kasse gebeten werden. – Das landläufige Bild vom Umweltvorreiter Deutschland hat mit der Realität nicht viel zu tun. Mit fast 30 nicht oder ungenügend umgesetzten Umweltrichtlinien liegt Deutschland in der europäischen Sünderliga ziemlich weit vorn in der Spitzengruppe. Zum Teil ist daran das komplizierte deutsche System schuld, nach dem die Richtlinien sowohl beim Bund wie auch bei den Ländern verankert werden müssen. Doch in der EU- Kommission hat sich in den letzten Jahren der Eindruck verstärkt, daß dieses Problem immer wieder als Vorwand genutzt wird, um lästige Vorschriften zu verschleppen.

Vor allem bei der Gewässerschutzrichtlinie befürchtet die Kommission, daß die in den deutschen Verwaltungsvorschriften versteckten und damit zuwenig transparent gemachten Grenzwerte für Giftstoffe eine Form von Umweltdumping darstellen könnten. Denn für Investoren sehe es so aus, als ob der Grundwasserschutz in Deutschland weniger strikt gehandhabt würde. Mit der Strafankündigung hofft die EU-Kommission offensichtlich, der Bundesrepublik ein wenig Beine zu machen. Dabei geht es ihr sicher nicht nur um die drei Fälle. Das europäische Umweltrecht insgesamt soll künftig Zähne zeigen. Ob die Strafen allerdings jemals fällig werden, ist offen.

Mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg ist in etwa 18 Monaten zu rechnen. Bis dahin haben Bonn und die Bundesländer Zeit, die drei EU-Vorschriften in nationale und regionale Gesetze einzubauen. Erst danach wird es teuer.