Dortmund–St. Pauli

■ Dortmunder Konzern will „Bavaria“- Traditionsbrauerei auf St. Pauli schließen

St. Pauli (taz) – Im klammheimlichen Krieg der deutschen Brauereimetropolen Dortmund (überschwemmt Deutschland mit zweitklassigem Einheitsgeschmack) und Hamburg („Holsten knallt am dollsten“) steht Dortmund kurz vor einem wichtigen Etappensieg: Am 13.Februar wird der Aufsichtsrat des Dortmunder Getränkegiganten Brau und Brunnen über eine Vorstandsvorlage entscheiden, welche die Schließung der 350 Jahre alten Hamburger Bavaria Brauerei vorsieht. Bavaria hatte erst 1994 einen auch von Architekturkritikern hochgelobten 30-Millionen-Mark-Neubau am alten Standort mitten in St. Pauli errichtet, einen Steinwurf entfernt von den bunten Häusern an der Hafenstraße.

Ob das geschmacklich leicht an Spülwasser gemahnende „Astra“ oder das für Hamburger Brauverhältnisse noch durchaus akzeptable Ratsherren-Pils in Zukunft in Berlin oder Dortmund in den Gärtanks wabert, dürfte allenfalls Kritiker des Treibhauseffekts beeindrucken, welche schon wieder zusätzliche Lkw-Fahnen gen Himmel steigen sehen.

Viel entscheidender sind die Auswirkungen für St. Pauli selbst: Hamburg, schon im 13. Jahrhundert eine der größten Braustädte Europas, verlöre mit dem Standort St. Pauli nicht nur wichtige einfache Arbeitsplätze mitten in der Stadt. Hamburgs Hafenrand verliert erneut ein Stück Identität und Funktionsfähigkeit.

Kritiker der Aufsichtsratsvorlage wittern denn auch schon mit viel Plausibilität eine schlichte Immobilienspekulation von Brau und Brunnen. Zu diesem Zweck, so vermutet der Betriebsrat, sei kürzlich ohne jede Not die Produktion der erfolgreichen Wachstumsmarke Jever von St. Pauli abgezogen worden. Dies habe für den Standort Hamburg erst jene Verluste produziert, die nun dem Aufsichtsrat die Schließung schmackhaft machen sollen.

Voraussetzung für den drohenden Dortmunder Erfolg war das Eigentümermonopoly der letzten Jahre. Zunächst verscherbelte der Zigarettenkonzern Reemtsma sein Brauschmuckstück an die Rosenheimer Fleischbrüder und Straußspezeln März, die dann 1995 in höchster Not ihre norddeutsche Profitperle an das Imperium Brau und Brunnen abtreten mußten. Den Hamburgern Brauern stink das gewaltig. Florian Marten