: „Wie Spekulanten“
■ Hafenerweiterung: Altenwerder-Kläger geht vors Bundesverfassungsgericht
Die Bäume sind gefällt, Wassergräben zugeschüttet, Wiesen plattgemacht. „Nach den Häusern und Menschen wird nun die Natur abgeräumt“, sagt der letzte Kläger des Hafenerweiterungsgebietes Altenwerder, Werner Boehlke, über den deprimierenden Anblick des zerstörten Biotops. Doch ans Aufgeben denkt er ebensowenig wie der Förderkreis „Rettet die Elbe“: Boehlke will nun vor dem Bundesverfassungsgericht einen Baustopp erzwingen. Sein 2200 Quadratmeter großes Grundstück soll der neuen Kaimauer weichen.
Einen Etappensieg hatte Boehlke im Frühjahr vergangenen Jahres erreicht: Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte alle Rodungs- und Wühlarbeiten untersagt, bis in der Hauptsache – die Klage gegen den sogenannten Planfeststellungsbeschluß – entschieden ist. Doch die nächsthöhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht, hob das Urteil im September auf. Seitdem schafft die Wirtschaftsbehörde mit Bulldozern Fakten, obwohl noch immer nicht klar ist, wie das Millionenprojekt finanziert werden soll.
Boehlkes Anwälte setzen an zwei Punkten an: Eine Enteignung auf der Basis des „Hafenentwicklungsgesetzes“, eine Art Generalvollmacht für die Stadt, sei unzulässig. Ein „Gemeinwohl“ ließe sich nicht erkennen, da die anzusiedelnden Hafenbetriebe nicht einmal garantieren müssen, daß sie wirklich Arbeitsplätze schaffen. Vielmehr ginge es hier um unzulässige Wirtschaftssubventionen (Dumping-Mieten), gegen die darüber hinaus bei der Europäischen Kommission Klage eingereicht werden soll. Zweitens nehme sich der Hamburger Senat mit dem Hafenentwicklungsgesetz heraus, das Bundesnaturschutzgesetz faktisch außer Kraft zu setzen. Auch das sei nicht zulässig.
„Wie Spekulanten“ führe sich die Stadt seit 20 Jahren auf, klagt Boehlkes Anwalt Michael Günther. Mit dem Gang nach Karlsruhe sieht er sich in guter Gesellschaft. Auch Schleswig-Holstein hat vor zwei Wochen wegen der abenteuerlichen Transrapid-Planungen das Verfassungsgericht angerufen. Außerdem könne man sich auf ein Urteil von 1989 berufen, als die höchsten Richter Enteignungen für eine Rennstrecke („Boxberg-Urteil“) stoppten. Mit einer Entscheidung im Fall Altenwerder ist etwa im Mai zu rechnen. Silke Mertins
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