Village Voice: Heavy Aluminium
■ Steppende Kosmonauten oder: Berlin, wie es swingt und kracht – Neue Platten von 23rd Spirit und De Buffdicks
So ist Geographie, langweilig wird sie nie: Yulara heißt ein winziges Kaff in der Nähe von Ayers Rock, Australien, und bedeutet gleichzeitig ungefähr „Das Heulen der Dingos“.
Jahrtausendealte Weisheiten der Urvölker wurden esoterisch wiederaufbereitet, Flöten flöteten bis zum Abwinken, sphärisch angehauchte Keyboards und zwei Eßlöffel Funk ergaben, sobald der urbane Jazz vernünftig untergemischt wurde, immerhin ein Produkt von sympathischer Unaufdringlichkeit. Kaum reingehört, schon wieder vergessen.
Nun geht's also, umbenannt in 23rd Spirit und unterstützt von unendlich vielen helfenden Händen, weiter mit „The Homegrown Edition“ und auf ins dreiundzwanzigste Jahrhundert, wo man sich unter anderem von Buddha und Dr. Spock inspirieren läßt. Damit das auch jeder versteht, ist nach ein paar Sekunden erst mal Countdown angesagt, dann steppt ein Kosmonaut durch bunte Hammond-Welten.
Mit der Überdosis Hippiepower flirren die good vibrations nur so durch unendliche Weiten und pusten Yin, Yang und Yogi durchs Saxophon. Völlig kompatibel mit der superkreativen und unheimlich metropolenmäßigen Kinowerbung für die Young Collection von C&A oder wie gemacht für die coole Cocktailbar aus dem Vorabendprogramm Ihres Vertrauens.
Von Ärzten und Apothekern aus dem Berliner Raum wird allerdings auf unangenehme Risiken und Nebenwirkungen hingewiesen: Während einigen Patienten am hellichten Tage die Band als lokale Antwort auf Galliano und Jamiroquai erschienen sei, könnten sensibel veranlagte Popkunden durch das „nervtötende Gute-Laune-Gedudel“ vollends abgetörnt werden.
Sehr viel traditioneller kommen De Buffdicks daher, die sogar irgendwann mal Publikumsliebling beim Metrobeat waren. Kaum hast du ihre erste Silberscheibe, „Spürst du es“, der Plastikverpackung entnommen, schauen dich acht große weiße Buchstaben und ein Punkt auf schwarzem Grund an und sagen: „Gott lebt.“ Das mag zwar angehen, doch wer jetzt phantastischen White Metal, Raver für Christus oder gar die eher klassischen Klampfenklänge von der Jugendfreizeit erwartet, wird bitter enttäuscht.
Statt dessen schale Erinnerungen an die Zeit, als Faith No More kurz davor standen, so etwas wie die Band der Stunde zu werden. Expeditionen ins Reich der Metallurgen werden da unternommen, um am Ende doch bei Heavy Aluminium anzukommen. Schnödes Gerocke lockert sich mit deftigem Rumrappen auf, das wohl richtig finster rüberkommen soll, aber eher peinlich wirkt. Und auch wenn es De Buffdicks nicht gleich ins dreiundzwanzigste Jahrhundert verschlägt, reisen sie doch mit Vorliebe durch Zeit und Raum und würden gerne ewig fliegen, wenn das „Innenleben zum tiefen Rausch bereit“ ist.
Aufzulösen wäre diese Variante lyrischen Kunstgewerbes im Cross-over-Format nur in zwei Richtungen: Entweder De Buffdicks polieren noch ein wenig an ihrem Sound und verfeinern ihre unverbindlichen Texte so, daß sie sich an den Gymnasien des Berliner Umlands vor Fanclubs kaum retten können. Oder – die interessantere Variante – sie riskieren tatsächlich etwas, zerlegen ihre Songstrukturen, überprüfen das Material auf seine wirklich wichtigen Bestandteile und radikalisieren ihre in Ansätzen durchscheinende Subjektivität so weit, daß wenigstens eine eigene Position sichtbar wird. Gunnar Lützow
23rd Spirit: „The Homegrown Edition“ (23 Records)
De Buffdicks: „Spürst du es“ (K&P Music/BMG)
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