Auf dem Friedhof der Videospiele

■ Forever „Pong“: In Berlin wurde das erste Computerspiele-Museum eröffnet. Leihgaben kommen von der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“

Am Anfang war ein weißer Punkt, der zwischen zwei weißen Balken hin- und herflog. Das Ganze hieß „Pong“, war 1972 von dem US-amerikanischen Bastler Nolan Bushnell im Schlafzimmer seiner Tochter ausgetüftelt worden und gilt als das erste Videospiel. Es sollte Bushnell, der mit dem Spiel die Game-Firma „Atari“ gründete, zum Millionär machen. Daß das simple Spiel eines Tages museumsreif sein würde, hätte damals niemand erwartet. Jetzt steht die „Pong“-Konsole in einer zum Ausstellungsraum umfunktionierten Parterrewohnung in einer heftigst im Umbau befindlichen Gegend in Berin-Mitte.

Seit Sonntag hat Berlin ein weiteres „peripheres Museum“: das Computer- und Videospiele-Museum, in dem man auf dreißig Monitoren die Geschichte der Computerspiele ansehen, anklicken und mit dem Joystick manövrieren kann. „Das ist keine Spielhalle“, warnt zwar ein Bild im Flur, aber schon bei der Eröffnung konnten sich einige Pressekollegen nach kurzer Zeit nicht mehr bremsen und feuerten mit „Strahlenkanonen“ aus schwarzem Plastik auf einen arglosen Lichtpunkt auf dem Atari-Monitor. Eine echte Jungssache, dieses Museum, und irgendwo piepst immer was.

In der Fünfzig-Quadratmeter- Wohnung stehen an den Wänden Spielkonsolen und Computer, die heute schon prähistorisch wirken, obwohl die meisten gerade mal zehn, fünfzehn Jahre alt sind. Passionierten „Gamern“ dürfte es beim Anblick dieses Friedhofs der Videospiele in den Daumen, mit denen man auf den Joystick drückt, kribbeln. Spielklassiker wie „Space Invaders“, „Donkey Kong“ oder „Pac Man“ wirken mit ihrer Simpelstgrafik heute so funky wie Old-School-HipHop oder Star-Wars-Maskottchen.

Die Augen von Andreas Lange, dem Kurator des Museums, beginnen zu leuchten, wenn er von den Games schwärmt, die man mit dem „Volkscomputer Commodore 64“ spielen konnte. Der studierte Theologe hat im Auftrag des Fördervereins für Jugend- und Sozialarbeit (FJS) das Museum für Computerspiele aufgebaut. Der FJS betreibt nicht nur eine Beratungsstelle, sondern vergibt auch Alterseinstufungen für Games. Der Berliner Senat hielt sich bei der Finanzierung des Museums vornehm zurück. So muß das Museum sich vorerst mit Mitteln des FJS und mit Ausstellungsstücken von privaten Leihgebern begnügen.

In den meisten Museen dürfte man es etwas ungewöhnlich finden, daß ausgerechnet der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ für Exponate gedankt wird. Im Computer- und Videospiele-Museum hängt jedoch ebenfalls eine mehrseitige Begründung aus, mit der die Bundesprüfstelle ein Spiel indiziert hat: das Game „Blue Max“, dessen Inhalt Museumsdirektor Lange sehr treffend mit den Worten: „Man fliegt über eine Landschaft und wirft Bomben“ charakterisiert.

Auch sonst finden sich echte Schätze in dem Museum: eine 3-D- Version von „Scramble“, die man nur mit einer seltsamen Brille spielen kann, oder der „BBS 01“ – das einzige „Bildschirmgerät des VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder)“, mit dem man Computerspiele machen konnte. In der DDR gab es übrigens nur einen einzigen Spielsalon: im Palast der Republik.

Wie Hans Kloß, einer der Leihgeber der Ausstellung, bei der Eröffnung sagte, seien die Computerspiele „eine Entertainmentkultur, die nicht verlorengehen darf“. Die Ausstellung zeigt die Computerspiele als Kulturgut: Für Museumsdirektor Lange sind sie nicht nur der Antrieb für die Industrie gewesen, immer leistungsfähigere Computer zu bauen, sie hätten auch dazu beigetragen, die neue Technologie alltäglich und selbstverständlich zu machen. Wer einmal gesehen hat, wie aus einem Zwölfjährigen und einem Gameboy ein veritables Mensch-Maschine-Interface wird, weiß, wie das funktioniert. Tilman Baumgärtel

Computer- und Videospiele-Museum, Rungestr. 20, Berlin-Mitte; sonntags 12–20 Uhr. URL: www.is-in-berlin.de/Spinne/jugmailb/museum/index