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Blechlawine rollt gen Osten

■ Deutschen Autorecyclern fahren die Wertstoffe buchstäblich als Altautos davon / Recyclingzentren sind unwirtschaftlich, denn sogar Schreddern in Holland ist billiger

Der Bremer Vorzeige-Recycler Erwin Meyer ist „ziemlich traurig“. Kein Wunder. Er hat mehrere hunderttausend Mark in seine neue Auto-Demontage-Anlage am Hemelinger Hafendamm gesteckt. Selbst die Umweltbehörde hat ihr Scherflein beigesteuert, damit Autos bei Meyer fachgerecht trockengelegt, zerlegt, sortiert und zur Wiederverwertung verschickt werden. Doch der Laden brummt einfach nicht. Statt in die Demontage-Hallen des Autorecyclers rollen ausgediente Mercedes-Kutschen, Opel, selbst Fiat und Renaults stetig gen Osten. Nach Rußland, Polen, sonstwohin, „wo sie garantiert nie richtig entsorgt werden“.

Diese Art der „Entsorgung“ von zwei Dritteln aller deutschen Altautos ist in den Augen von Altlastenexperte Adolf Pösel von der Bremer Umweltbehörde kaum besser, als Auto-Dumping im Wald. Oder Auto-Zerhäckseln in den Niederlanden, wo eine ungeschätzte Dunkelziffer norddeutscher Rostlauben ebenso landet, wie entsprechende süddeutsche Modelle auf Frankreichs Deponien.

Den Weg dahin bereiten deutsche und europäische Gesetzeslücken – und die Zugkraft des Marktes. Denn Export ist weit lukrativer als ordnungsgemäße Entsorgung, selbst wenn „zertifizierte“ Autoentsorger wie Erwin Meyer schon lange auf die ursprünglich kalkulierten 300 Mark pro Entsorgung schrottreifer Blechkisten verzichten, und auch der Norderstedter Entsorger Kiesow die zehn Jahre alte Kiste mittlerweile für rund 100 Mark annimmt. Zwar wird das Altauto-Verwertungsgesetz, quasi der Grüne Punkt für Autos, nach dem die zerlegten Blechkisten als Wertstoffe recycelt werden sollen, im Februar erneut in den Ausschüssen des Bundesrats beraten. Ob das über achtjährige Hickhack jetzt ein Ende findet, ist jedoch fraglich. Entsorger wissen: Die jetzt diskutierte Fassung, nach der die KFZ-Steuer so lange gezahlt werden muß, bis für das verkaufte Altauto ein amtlicher Entsorgungsnachweis vorliegt, wird nur für Neuautos ab 1997/98 gelten. Bis die in zehn bis 15 Jahren schrottreif werden, müssen Meyer und Konsorten auf das Zerlegen von Gebrauchtwagen setzen. Wenn der fehlende Entsorgungsnachweis allerdings – wie ebenfalls diskutiert – nur durch eine Verwaltungsgebühr geahndet wird, die noch unter den deutschen Entsorgungskosten liegt, dann dürfte einigen Entsorgern die Lust am Geschäft vergehen.

Der Recycling-Umsatz bleibt schon jetzt weit hinter den Erwartungen zurück: Statt der ursprünglich kalkulierten zehn Altwagen werden bei Bremens Recycler Meyer bislang höchstens die Hälfte demontiert und beispielsweise als Autoersatzteile, Metall- oder Kunstoffschredder an Stahlwerke oder Kunststoffaufbereiter weiterverkauft. Beim Norderstedter Autoentsorger Kiesow sind es – statt erhoffter 25.000 Gefährte jährlich bislang schlappe 8.000 Altwagen. Dabei hat der Norderstedter Ent-sorger seine Recyclingpläne schon einmal runderneuert: Wegen der wackeligen Gesetzeslage und des geringen Altautoaufkommens haben seine bisherigen Abnehmer Klöckner und Thyssen nämlich die Segel völlig gestrichen, sagt Mario Kiesow. Sein eigener Versuch, mit seiner „Autoauto GmbH“ 20 Recyclingzentren in ganz Deutschland aufzubauen, ist gescheitert.

Wie der Bremer Erwin Meyer arbeitet er jetzt mit der Preussag AG zusammen. Doch auch deren allseits gelobtes Software-Programm stopft keine Bilanz-Lücken. Und so setzen Kiesow und andere wieder verschärft auf den Direktverkauf an Private – fast wie der Schrotthändler von einst. „Ohne meinen übrigen Gemischtwarenladen hätte ich die Autos schon aufgegeben“, sagt auch Erwin Meyer. Noch hofft er auf einen schnellen gesetzlichen Recycling-Zwang für Autos. Dann werden sich seine finanziellen Vorleistungen auf absehbare Zeit amortisieren. ede

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