Gegen Ironie und Uwe

„PiPa Millerntor“: Ein Zwölftkläßler aus Blankenese ist der jüngste Chefredakteur eines Bundesliga-Fanzines  ■ Von Volker Stahl

Hamburg (taz) – Der FC St. Pauli hat die (bitte Attribut selbst auswählen) Fans der Bundesliga. Das wissen alle. Nicht alle wissen, daß die Anhängerschar auch die schreibfreudigste der Liga ist. Neben der offiziellen Stadionzeitung Pauli erscheinen vier Fanzeitschriften. Ein 17jähriger Schüler aus Hamburg-Blankenese ist der jüngste Zeitungsmacher der St.- Pauli-Fangemeinde.

Seit dem Sommer 1992 ist das Fanzine PiPa Millerntor auf dem Markt. Mit dem Rückrundenbeginn steht die 37. Ausgabe bevor. Herausgeber, Chefredakteur, Layouter und Anzeigenvertreter ist der Zwölftkläßler Jan Müller-Wiefel, Schüler am Blankeneser Gymnasium Kirschtenstraße: „Die erste Nummer bestand nur aus gesammelten Zeitungsschnipseln, so'n Pipapo eben, und war eigentlich nur für mich gedacht. Aber Freunde aus meiner Klasse haben das Heft gesehen und wollten es auch haben.“

Das war die Geburtsstunde des Blattes. Auflage: vier Exemplare. „Bis Nummer 23 konnte ich die PiPa noch bei meinem Vater in der Klinik vervielfältigen, dann mußte ich einen Copyshop beauftragen.“ Die letzten fünf Hefte wurden in einer Druckerei gefertigt. Inzwischen verkauft der umtriebige Arztsohn fast 1.200 Exemplare. Preis: eine Mark und fünfzig Pfennig. Außerdem beliefert Müller- Wiefel 100 Abonnenten – „in Berlin, Köln und sogar in der englischen Hafenstadt Ramsgate.“

Die Medienvielfalt rund ums Wilhelm-Koch-Stadion läßt erst gar nicht den Verdacht aufkommen, daß die Pauli-Fans zu den Dumpfbacken der Liga gehören könnten. Neben Müller-Wiefels Postille finden auch die etablierten Übersteiger, Unhaltbar und Splitter Leser. Bis vor kurzem warben außerdem FAN-MAG, Blödes Volk und Eulenspiegel-Echo um Käufer. Die PiPa zeichnet sich im Vergleich mit den Konkurrenzblättern weniger durch hintergründige Analysen der Vereinspolitik oder fußballphilosophische Kurzessays aus, sondern hat sich das Motto „gegen Ironie im Stadion“ auf die Druckfahnen geschrieben.

Mit dieser Kampagne soll die „Keine Politik im Stadion“-Forderung der biederen Paulianer Fanfraktion auf die Schippe genommen werden. „Mir gefällt der schräge Humor“, sagt der leidenschaftliche Titanic-Leser. Er hat seinen an Max Goldt geschult. Eine Kostprobe aus der ständigen Rubrik „Floskelpeter“: „Huhu Sport-Bild! Du hast dem Millerntor in Deinem tollen Stadiontest also in Sachen Preis-Leistungs- Verhältnis die Schulnote 4 gegeben. Das soll also heißen, daß das Volksparkstadion mit seiner 3 besser ist als das Wilhelm-Koch-Stadion. Hatten wir einen im Tee?“

Außer satirischen Attacken liefert PiPa neben Berichten von Auswärtsspielen, über Hooligans und dem obligatorischen Vereinstratsch Hintergrundinformationen. Immer wieder ein Thema ist der Lokalrivale HSV. „Seitdem Uwe Seeler Präsident ist, steht jede Pups-Nachricht auf den Titelblättern der Hamburger Zeitungen“, sagt Jan Müller-Wiefel.

Die Medienrealität ist so garstig, daß für ihn klar ist: „Journalist will ich nicht werden. Schon eher Layouter oder Graphikdesigner.“ Oder Musiker. Vor einigen Monaten hat er mit fünf anderen Hamburger Jungs die HipHop-Band „Munkelnde Substanzen“ gegründet. Sein Instrument ist die eigene Stimme: „Ich mach' den Sprechgesang.“ Seine Fußballkarriere bei Komet Blankenese hat er dagegen beenden müssen. „Das kollidierte zu oft mit Pauli-Spielen.“