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Eines der wenigen großen historischen Ereignisse dieses Jahres ist genau datiert: die Rückgabe Hongkongs aus der Verwaltung durch die britische Krone an China am 1. Juli 1997.

Die britischen Medien beschäftigen sich derzeit verstärkt mit diesem späten Akt der Entkolonialisierung – doch selbst die linke Presse benutzt kaum je Worte aus dem Vokabular des kämpferischen Antiimperialismus. Vielmehr herrscht nach dem Tiananmen-Massaker eine neue Angst vor der Nationalisierung Hongkongs, die die alte Angst vor dem Totalitarismus chinesischer Herrscher ist. Und weil diese Angst auch eine vor Unterdrückung und Zensur ist, hat Index on Censorship ein gesamtes Heft dem Thema China gewidmet.

Die AutorInnen der heutigen Texte untersuchen verschiedene Aspekte eines neuen chinesischen Nationalismus. Jasper Becker stellt den Bestseller „China kann Nein sagen“ vor, in dem eine vom Westen enttäuschte Generation junger Chinesen mit dessen intellektuellem und materiellem Kolonialismus abrechnet. Helen Siu analysiert die Identität der so außerordentlich erfolgreichen Hongkonger Nachkriegsgeneration, und der Fotojournalist Julio Etchart beschreibt seine Schwierigkeiten beim Berichten über die Millionen Wanderarbeiter in den neuen Wirtschaftszonen Südchinas.

Auch die – international erfolgreiche – chinesische Filmproduktion ist, wie Tony Ryans zeigt, durch die neueste Entwicklung gefährdet. Gerade sie hatte am stärksten die Trennungen zwischen den „drei Chinas“ aufgehoben: die Volksrepublik, Hongkong (samt der Chinesen in Übersee) und Taiwan.

Einig sind sich die AutorInnen, daß nur eine politische Differenzierung, sprich Demokratisierung, in der Volksrepublik selbst den freien Ausdruck auf intellektueller und künstlerischer Ebene möglich machen kann. Ob sich dies notwendig aus der Freiheit des Marktes ergibt, damit werden sich weitere Beiträge im März beschäftigen. Uta Ruge, London