Debatte
: Lieber Stiefmütterchen !

■ Ortsamtsleiter Bücking: Alles spricht gegen den Klotz am Bahnhofsvorplatz

In den letzten paar Wochen scheint der CDU Fraktion zu dämmern, was sie mit ihrer Forderung, den Verkehr über das Investorengrundstück an der Südkante des Platzes zu leiten, angerichtet hat.

Eine Investition von mehreren hundert Millionen DM stehen auf dem Spiel. Ein kompliziertes Werk gegenseitiger Verpflichtungen zwischen der Stadt und privaten Unternehmen, die sich gemeinsam auf einen Zeitplan bis zum Jahr 2000 verpflichtet haben.

Politik unter dem Motto: Straßen statt Einzelhandel und Dienstleistungen, hält wohl keine ernstzunehmende Partei in Bremen länger als vier Wochen durch. Schadensbegrenzung ist dringend geboten. Interessant ist eigentlich nur noch, wie der Schwenk im einzelnen ausgeführt wird. Ein kleines Video, auf dem die Fachleute das wundersame Kommen und Gehen von Autos und Straßenbahnen zwischen Gustav-Detjen-Tunnel, Breitenweg und Herdentorsteinweg demonstriert haben, genügte gestern, um die zahlreichen Verkehrsexperten aus der CDU Bürgerschaftsfraktion mit der Planung anzufreunden.

Mittlerweile wird im Hause des Wirtschaftssenators an einer Vorlage für die Kanalverlegunggearbeitet, die hübsch die alten Pläne umsetzt. Auf der Sitzung der Wirtschaftsförderungsausschüsse am 6.2. wird also unter leichter Tarnung zur Tagesordnung übergegangen. So weit, so gut. Wenn da nicht hinter all dem Getöse eine andere Frage der Aufmerksamkeit der Stadt entgangen wäre.

Wie soll der Neubau aussehen, der auf dem Grundstück errichtet wird, das durch die verschwenkte Verkehrsführung geschaffen wurde?

Das von den Gewinnern des städtebaulichen Wettbewerbs vorgeschlagene zweiteilige Gebäude mit dazwischen gespanntem großem Glasdach wurde vom Senator für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung unter dem kombinierten Druck von Investor und Wirtschaftsressort sang- und klanglos beerdigt. Aus dem großzügigen öffentlichen Raum auf der Achse Herdentor – Bahnhof ist der Eingang zu einem Kaufhaus geworden. Der Investor plant verständlicherweise nach dem schlichten kaufmännischen Grundsatz optimaler Grundstücksausnutzung einen sechsgeschossigen 100 Meter langen und 60 Meter breiten Klotz. Das bringt 25.000 Quadratmeter nutzbare Fläche. Mehr passt nicht drauf. Auf der Rückseite sollen überirdisch (!) 400 Parkplätze untergebracht werden. Es ist absehbar: die Scheußlichkeiten links und rechts des Breitenwegs setzen sich fort. Der einst von Senat geforderte, später freigestellte, vom Bausenator aber noch ein Weilchen vertretene Hochbauwettbewerb für das Gebäude ist längst aufgegeben worden. Gleichzeitig zögert der Investor mit der Unterschrift unter den Kaufvertrag. Flächen dieser Größenordnung auf dem Markt zu drücken, ist in Bremen ein großes Risko. Ehe sich die Bremer Politik bis zur Unkenntlichkeit verbiegt, sollte man sich dazu durchringen, das Grundstück liegenzulassen und so lange mit Stiefmütterchen zu bepflanzen, bis sich ein Investor gefunden hat, der bereit ist, den Bauplatz zu würdigen. Die Zeit bleibt ja nach der Weltausstellung nicht stehen.

Robert Bücking, Ortsamtsleiter Mitte/Östliche Vorstadt