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Lohn für die Treue

■ Ein neues Dekret macht Spaniens Digital-TV vollends zum Politikum

Madrid (taz) – Laut einem Dekret vom 2. Februar brauchen Spaniens Fernsehzuschauer in Zukunft nur einen Decoder, um die Signale verschiedener Satellitenprogramme empfangen zu können. Damit setzt Ministerpräsident Aznars Regierung eine Richtlinie des europäischen Parlaments um und beschert dem Sender Canal Satélite Digital (einem Ableger des französischen Canal +) ein Problem: Dessen Decoder, der den Kunden von Canal Satélite seit Anfang der Woche gebührenfrei zur Verfügung gestellt wird, entschlüsselt nämlich nur die Signale des hauseigenen Programmpakets und widerspricht so dem neuen Gesetz. Nun hat Canal Satélite zwei Monate Zeit, den von Sony und Philips produzierten Decoder zu modifizieren.

Prompt wittert die Tageszeitung El Pais, die zu PRISA, der größten Mediengruppe des Landes, gehört, (die wiederum zu 25 Prozent an Sogecable – der Betreibergesellschaft von Canale Satélite – beteiligt ist) einen Anschlag auf die Prinzipien der Marktwirtschaft: Die konservative Regierung von José Maria Aznar wolle den Präsidenten der PRISA, Jesús de Polanco, „fertig machen“, weil die PRISA-Medien, allen voran EL Pais, eine kritische Haltung zur Regierung hätten. Daß auch de Polanco die Rolle des Regierungsgünstlings nicht ganz unbekannt ist, wird dabei gern verschwiegen. Denn auch sein Unternehmen wurde einst für die Treue zu González' Sozialisten mit Marktanteilen entschädigt.

Doch heute sind die Fronten im spanischen Digitalfernsehen verhärteter denn je. Angefangen hatten die Auseinandersetzungen mit dem Streit um die Fußball-Übertragungsrechte. Der Privatsender Antena 3 und der Pay-TV-Kanal von Sogecable besitzen die Übertragungsrechte von jeweils der Hälfte der Profiklubs. Nachdem sich Antena 3 zunächst an der von der Regierung favorisierten digitalen Plattform der halbstaatlichen Telefongesellschaft Telefónica beteiligt hatte, gründete man später gemeinsam mit Sogecable eine Fußball-Vertriebsgesellschaft, wodurch Telefónica stark an Attraktivität einbüßte. Um die Plattform doch noch zu retten, hat die Regierung nun gehandelt, denn durch das Dekret können Telefónica- Kunden nicht nur Spielfilme und Nachrichten schauen, sondern eben auch Fußballspiele, die bisher nur von Sogecable verschlüsselt ausgestrahlt wurden. Ein Haken bleibt: Telefónica strahlt sein Signal bisher über den Satelliten Hiaspat aus, während Canal Satélite nur über Astra empfangen werden kann.

Wie sehr der iberische Fernsehmarkt politisch dominiert ist, machen auch die Kommentare des konservativen Sensationsblattes (und der nach El Pais zweitgrößten Tageszeitung des Landes) El Mundo deutlich. Dort wird das Dekret als „Triumph der Demokratie und des Pluralismus“ gefeiert. Ein Triumph freilich, der die Kunden einiges kosten wird: Denn ein weiterer wichtiger Punkt des Dekrets besagt, daß die digitalen Sender und ihre Kunden demnächst den vollen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent zu entrichten haben, statt wie bisher 7 Prozent. Außerdem werden sich alle TV-Anbieter in ein Register einer Kommission für Satellitenfernsehen eintragen müssen, die die Einhaltung der Vorgaben überwacht. Canale Satélite, das seine Decoder zunächst weitervertreibt und von Luxemburg aus sendet, will sich schnellstmöglich in das Register eintragen.

Obwohl das umstrittene Dekret mit seiner Veröffentlichung letzten Samstag in Kraft trat, muß es jedoch erst das Parlament passieren. Dort benötigt Aznars Volkspartei die Hilfe der katalanischen Nationalisten, die sich bisher mit einer Kommentierung des Dekrets bedeckt halten. Reiner Wandler

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