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„Dem Loskauf frönen ...“

■ ... und dabei drei Monate lang die Arbeitslosen nicht vergessen! Bürgerparktombola von Dr. Himpelchen und Dr. Pimpelchen feierlich und in aller Form eröffnet

Die Sensation war perfekt: Gestern, 11 Uhr, wurde in aller Öffentlichkeit und durch die Herren Bürgermeister Dr. Himpelchen und Dr. Pimpelchen die 40. Bürgerpark-Tombola eröffnet. Im Hintergrund blies das Musikkorps des Grenzschutzpräsidiums Nord (Hannover), Dr. Himpelchen und Dr. Pimpelchen rieben fröhlich die Wangen aneinander, und Dr. Himpelchen sprach in ein bereitstehendes Mikrophon: „Eben hat mich ein Reporter gefragt, ob denn die Bürgerparktombola zu den neuen Arbeitslosenzahlen in Bremen passe. Da kann ich nur sagen: Die Bürgerparktombola ist für alle gut, auch für die Arbeitslosen und die, die kein Geld haben.“ Und umgehend trat er den Beweis an, gewann einen BMW 316 I Compact und verschenkte ihn an den nächstbesten Arbeitslosen. Nebenbei hatte Dr. Himpelchen auch 10 mal „kostenfreies Parken dank BREPARK“ gewonnen, das schenkte er einem wohnungslosen Kriegsversehrten.

Dr. Pimpelchen wies zu Recht das zahlreich vertretene Publikum darauf hin, daß eine Million Mark vom Gewinn der Tombola wieder in den Bürgerpark flösse, wo ja auch unsäglich viel ehrenamtliche Arbeit für Arbeitlose bereitliegt wie Harken, Hacken und Spritzen einsammeln. Dr. Pimpelchen seinerseits gewann Salznüßchen, welche er ohne Zögern an einen gichtkranken Mypegasus-Beschäftigten weiterreichte. Mit seinem zweiten Los ergatterte er einen Gas-Brennwertkessel, über den sich ein von Schwären bedeckter Obdachloser freuen durfte. Und weil bei der 40. Bremer Bürgerparktombola jedes dritte Los gewinnt, erhielt Dr. Pimpelchen noch einen Flug nach Lanzarote im Wert von 3.500 Mark, den er aber selbst behielt, weil er gern sonnengebräunt aussieht.

Der Präsident des Bürgerparkvereins, Friedrich „Erbonkel“ Rebers, hielt auch eine Rede, in die er dramaturgisch geschickt einflocht, daß der Bürgerpark ja eine Bürgerinitiative sei. Auch sei die Kunsthalle eine Bürgerinitiative, die mithin aus dem Tombolagewinn 200.000 Mark ebenso bekommen würde wie das Focke-Museum („eine Bürgerinitiative“) und der Park links der Weser („eine Bürgerinitiative“, die leider weder links noch rechts der Weser jemand kennt).

Am Ende der Eröffnungsveranstaltung war die Arbeitslosenquote in Bremen um fünf Prozentpunkte gesunken. Trotzdem kam es zu unschönen Szenen. Arbeitslose, die keinen BMW und keinen Vespa-Roller mit „Zip und Zap wird mit einem Handgriff aus einem Motorroller eine Elektroroller“ abbekommen hatten, warfen sich rücksichtslos auf die bunten Ballons mit anhängenden Freilosen, die eigentlich hätten zum Himmel steigen sollen, um in Richtung Niedersachsen geweht zu werden. So hatte es der Propagandist der Bürgerparktombola sicher nicht gemeint, als er in seinem typischen Singsang ins Mikrofon jubilierte: „Drei Monate Abwechslung in der Bremer City! Da bleibt viel Zeit, dem Loskauf zu frönen!“ BuS

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