Unruhen in Südafrikas Townships

■ Mischlinge liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Ursache ist eine tiefe Finanzkrise der Städte und Gemeinden

Johannesburg (taz) – In mehreren Townships im Südwesten Johannesburgs lieferten sich gestern Tausende von aufgebrachten Mischlingen Straßenschlachten mit der Polizei. Sie protestierten damit gegen die Drohung der Stadverwaltung, ihnen Strom und Wasser abzudrehen. Mindestens zwei Menschen wurden dabei verletzt. Das Township Westbury war bereits in den frühen Morgenstunden vollkommen abgeriegelt worden, als Bewohner brennende Barrikaden errichteten und die Polizei angriffen. Sämtliche Läden in dem Gebiet blieben geschlossen, die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein. Die Demonstranten bewarfen auch Busse und Taxis mit Steinen. Am Nachmittag kam es sogar zu Schußwechseln.

Zu dem eintägigen Boykott hatte eine Bürgerinitiative im Südwesten Johannesburgs aufgerufen, um die Stadtverwaltung unter Druck zu setzen. Die hatte den Township-Bewohnern damit gedroht, Strom und Wasser abzudrehen, wenn sie nicht endlich ihre Abgaben bezahlen würden. Zusätzlich aufgeheizt war die Atmosphäre, weil sich einige der Demonstranten auch im neuen Südafrika rassisch diskriminiert fühlen. Mehrmals war es in den vergangenen Wochen in anderen Farbigen-Townships zu Unruhen gekommen – vordergründig wegen des Streits um Abgaben. Die sind angeblich höher als die von Schwarzen.

„Wir haben es satt, als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden“, sagte Rashid Evans, einer der Organisatoren, gestern wütend. „Wir sind nicht weiß und nicht schwarz genug.“ Zu Apartheidzeiten waren Südafrikas Mischlinge, meist Nachfahren von Sklaven aus Südostasien, etwas besser gestellt als die schwarze Bevölkerungsmehrheit. Heute wählt die Mehrzahl von ihnen die Nationale Partei unter Frederik de Klerk.

Der Protest gegen rassische Diskriminierung ist nur vorgeschoben und verdeckt ein größeres Problem in Südafrika: eine tiefe finanzielle Krise der Städte und Kommunen. Die Millionenmetropole Johannesburg sowie die umliegenden Städte sind so gut wie zahlungsunfähig. Grund dafür ist die fehlende Zahlungsmoral in vielen Townships, die mittlerweile auch auf weiße Vororte übergreift. In den Apartheidjahren war es ein probates Mittel, keinerlei Abgaben für Strom und Wasser zu zahlen, um der Regierung zu schaden.

Im neuen, demokratischen Südafrika ist die Zahlungsmoral trotz einer großangelegten Kampagne der Regierung nicht besser geworden. Durch den Neuzuschnitt von Städten und Kommunen wurden Ende 1995 schwarze und farbige Townships und weiße Gemeinden zusammengelegt, um den Wiederaufbau zu finanzieren. Erst jetzt aber tritt allmählich das ganze Ausmaß der Krise zutage. So zahlen im Township Alexandra im Norden Johannesburgs nur 9,4 Prozent der Bewohner ihre Abgaben, in Soweto immerhin knapp ein Viertel.

Überall in der Provinz Gauteng rund um Johannesburg drohen jetzt die Stadtverwaltungen mit Strafmaßnahmen wie in Westbury, um ihre Haushaltsdefizite aufzufüllen. Die örtlichen Banken haben bereits erklärt, die Deckungslücke für derartig große Summen ohne Sicherheiten nicht übernehmen zu wollen. Kordula Doerfler