Nicht verraucht, nicht verrucht

■ Selbstantwortendes bei „Oder was erwarten Sie von einer Chansonette?“ von Annette Mayer auf der Agma-Zeitbühne

Was für eine fremde und seltsame Welt öffnete sich da am Samstag auf der Agma-Zeitbühne: Heinz, aus guten Gründen von seiner Frau verlassen, starrte auf ein einsames Cremetörtchen im Kühlschrank, und siehe – es begann zu sprechen und las ihm die Leviten. Geschrieben von Edith Jeske, vertont von Sören Sieg, gesungen von Annette Mayer und am Klavier begleitet von Henning Lucius, ergab das Ganze ein Chanson.

Das ist ein witziges, freches, geistreiches und manchmal auch sozialkritisches Lied, so las Annette Mayer aus dem Duden vor, damit das Publikum vorbereitet war, und dann stellte die Schauspielerin die Frage, um die sich an jenem Abend alles drehte: „Oder was erwarten Sie von einer Chansonette?“

Sie wollte es wirklich wissen, kitzelte das Auditorium und gab sich schließlich selbst eine Antwort. Das kam an. Die bunte, aber nicht zu grelle Mischung aus Klassikern, wie dem Liebesduett von Friedrich Hollaender und eigens für sie geschriebenen Stücken war genau das, was die Fans erwarteten.

Es ging um Ärger mit dem Psychotherapeuten, um Talkshow-Exhibitionismus oder um die Schwierigkeit, bei McDonalds ein Supersparmenü zu bestellen. Sie sang auch von Großstadt-Melancholie. Von den Malaisen eines Masochisten. Ach ja, auch die anständigen Leute haben ihre Unpäßlichkeiten.

Einiges stimmte nicht ganz: Annette Mayer war als Chansonette nicht verrucht, nicht verraucht und nicht bissig. Aber witzig, manchmal originell, das war sie schon, wenn sie sich fragte, ob sie mit einem Neandertaler glücklich werden könnte oder wenn sie lispelnd die Nöte einer zersägten Jungfrau besang.

Das Publikum hatte alles geboten bekommen, was es von seiner Chansonette erwarten konnte: wohlerzogene Unterhaltung, manchmal ein bißchen sozialkritisch, aber nie die Grenzen harmloser Koketterie überschreitend. Barbora Paluskova