■ Karnevalszeit - das ist auch die Zeit der erbitterten Wortgefechte, wer grausamer rosenmontagt: Die Anwohner der längsten Theke der Welt, oder die der WDR-Anstalt? Zum Auftakt unser Debattenwoche auf der Wahrheit klären wir die Frage
: Ist

Pro

Nicht durch Zufall ist Düsseldorf, diese kleinere Stadt zwischen Niederdonk und Stürzelberg, vor allem durch gewisse Entdeckungen im nahe liegenden „Neandertal bei Düsseldorf“ bekannt. Der Düsseldorfer an sich geht im Grunde seines Herzens noch in den Keller Heizöl hacken, glaubt aber, er könne mithalten in der kultivierten Welt. Um das zu zeigen, werden schon die tischhohen Knirpse in Gucci und Versace gesteckt und mit dem Aktenköfferchen über die Kö geschickt. Das Aktenköfferchen ist für den Düsseldorfer überlebensnotwendig, befinden sich darin doch die Kommunikationsschilder in Rot („Ja“), Blau („Vielleicht“), Braun („Zwei Alt“) und Rot („Ich will ficken“), die abwechselnd hochgehalten werden.

Zur Karnevalszeit setzt sich der Düsseldorfer dann die Pappnase (rot) auf, arbeitet durchaus auch mal mit der Luftschlange und ist fröhlich. Weil das ganze umliegende Rheinland fröhlich ist. Schon sind wir beim grundlegenden Problem: Düsseldorf hat Banken, weil Frankfurt auch Banken hat. Düsseldorf hat eine Nobelmeile, weil Berlin auch eine Nobelmeile hat. Düsseldorf hat eine Altstadt, weil Köln auch eine Altstadt hat. Düsseldorf liegt am Rhein, weil Köln auch am Rhein liegt. Düsseldorf hat Karneval, weil Köln auch Karneval hat. Düsseldorf hat Altbier, weil es Kölsch und Pils nicht kann. Doch wer will schon die schlechte Kopie?

Dazu ein kleines Beispiel. Zur Karnevalszeit quietscht und grunzt der Düsseldorfer vermehrt etwas, das wie „Düdeldoafelau“ klingt. Das soll wohl „Düsseldorf Helau“ heißen. Typisch, daß hier das „Helau“ von den Meenzern mit ihrer dumpfen Blauen-Bock-Fassenacht abgekupfert wurde, und nicht das einzig wahre und gute „Alaaf“. Daß dies etymologisch höher entwickelt ist, läßt sich schon daran erkennen, daß der propere Kölsche Jong mit dem 23igsten Kölsch immer noch ein astreines „Kölle Alaaf“ in die Kloschüssel spucken kann. Sagen Sie mal volltrunken „Düsseldorf Helau“! Das Problem: Düsseldorfer tun's! Ständig!

Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, daß ich aus einem Städtchen stamme, wo die Menschen am Rosensonntag „Wuppdika“ durchs Tal rufen, um dann am Rosenmontag mit ihren dreieinhalb ergatterten Klömpkes als Wegzehrung zum richtigen Zoch zu fahren – nach Köln, versteht sich. Das ist doch wenigstens ein ehrliches Eingeständnis der Zweitklassigkeit. Doch wer dazu nicht die Größe besitzt, läßt halt seine stieseligen Tollitäten krampfhafte Witze über die Nachbarstadt verbreiten, der man doch so verzweifelt hinterherhechelt. Steht beim Zoch statistisch gesehen viel häufiger als anderswo mit dem umgedrehten Regenschirm in der Raffzahn-Haltung da, um noch mehr Kamelle zu erhaschen. Macht sich bei der Bettelei um Bötzche zum Affen. Läßt sich zur Landeshauptstadt zweier praktisch verfeindeter Regionen machen (im Grunde sind die doch auf der Seite der Westfalen!). Der „Karneval“ in Paderborn fiel ja dieses Jahr aus, wegen Schweinepest. Gäb's da nicht für Düsseldorf eine ähnlich elegante Lösung? Bess demnähx in Kölle: Susanne Kaiser

Contra

Wenn man von einem wunderschönen Landstrich wie dem linken Niederrhein den Fluß entlang nach Süden fährt, gelangt man in die Landeshauptstadt Düsseldorf. Eine kleine, elegante, von freundlichen Menschen bevölkerte Stadt, die nur einen Fehler besitzt, den im Rheinland üblichen Karneval zu feiern: Horden auswärtiger Bauernlümmel toben unter der Statue Jan Wellems und trinken an der „längsten Theke der Welt“ das gesamte Altbier weg. Schlimm.

Aber es geht noch schlimmer. Ein paar Kilometer weiter südlich liegt das eher ins Rechtsrheinische lappende Köln. Ein sich gern als Millionenstadt gerierender Provinzflecken, der gleichermaßen von Parfüm- und Schokoladenfabrikanten, WDR- und RTL-Fuzzis, mittelmäßigen Fußballspielern und Mundartrockmusikern, betrügerischen Lokalpolitikern und katholischen Schranzen, ja sogar von einem Kardinalshut regiert wird.

Kein Wunder also, daß der Kölner das Jahr über an einem vertrackten Zwangshumor leidet, der auch auf eine Deformation der Sprechwerkzeuge zurückgeht, seinen Dialekt: „Ne, wat ene fiese Möp.“ Ganz nach Manier des provinziellen Narziß hält er sich wegen dieses eigentümlichen Kauderwelschs für etwas Besonderes, was immer dann kulminiert, wenn die „fünfte Jahreszeit“ droht und die in Köln stationierte Anstalt Westdeutscher Rundfunk nur noch Schunkellieder der Folklorekapelle „Bläck Fööss“ spielt: „Eene Besuch im Zoo, oh oh oh oh“. Was genauso gemeint ist und manch einem, der im WDR-beherrschten Bundesland Nordrhein-Westfalen aufgewachsen ist, nicht leicht gemacht hat, dieser Gehirnwäsche zu entrinnen, wie ein typischer Mutter-Sohn-Dialog zeigt: „Komm doch mal mit zum Karnevalszug.“ – „Und dann soll ich mich etwa auch noch verkleiden?“ – „Mal dir doch wenigstens ein blaues Auge.“ Irrsinn. Reiner Irrsinn.

Während man sich in anderen karnevalistischen Hochburgen der Tumbheit schaler Witzchen und schmieriger Wortspiele nicht einmal bewußt ist, glaubt der Kölner, im Zentrum der humoristischen Welt zu stehen. In Köln gibt es zwar kein Prinzenpaar, dafür wird ein rein männliches – in diesem Jahr aus „Prinz“ Leo, „Bauer“ Walter und „Jungfrau“ Schorschi bestehendes – sogenanntes „Dreigestirn“ am Rosenmontag unter dem Jubel der Einwohner durch die Straßen gekarrt. Und es gibt vor allem die Erfindung eines „alternativen“ Karnevals, wo, nach Auskunft Jüngerer, „alles ganz anders“ sei. Tatsächlich werden nicht „Prunk-“, sondern sehr verwandte „Pruntz-“ oder „Stunksitzungen“ mit nur minimal verschobenem Humorniveau abgehalten – was beweist, daß das Andere doch immer mit dem Einen zusammenfällt und auf ewig gleich schlecht sein wird.

So kann man der in Stein gehauenen Dreifaltigkeit aus Dom, Hauptbahnhof und Römisch-germanischem Museum schließlich nur eines wünschen: daß die momentan in Westfalen grassierende Schweinepest bis in den Kölner Raum vordringt. Im Paderborner Land ist zumindest der Straßenkarneval deshalb ausgefallen. Bitte bald am Rhein noch mehr wegmachen. Michael Ringel