„Die Kirche hat Sexualität kaserniert“

■ Die Präsidentin der nordelbischen Synode, Lingner, zur Segnungsdebatte

taz: Frau Lingner, steht die nordelbische Kirche nach dem Beschluß zu gleichgeschlechtlichen und eheähnlichen Partnerschaften vor einer Spaltung?

Elisabeth Lingner: Nein. Wir haben gestritten und, wie es in der Kirche immer so schön heißt, heftig gerungen. Aber darüber wird sich die Kirche nicht spalten.

Der konservative Bischof Ludwig Kohlwage wirft der Mehrheit vor, eine gesellschaftliche Stellvertreterdebatte zu führen.

Warum denn nicht? Es geht doch darum, daß die Kirche endlich Position bezieht. Nicht nur das Verhältnis der Kirche zu eheähnlichen oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften steht auf der Tagesordnung, sondern die Einstellung der Kirche zur Sexualität. Da hat sie jahrhundertelang eine verbietende Funktion gehabt, hat Sexualität kaserniert und nur der Ehe vorbehalten. Solche Positionen müssen überarbeitet werden.

Soll der Beschluß auch auf eine Änderung des entsprechenden Ehe- und Familienartikels im Grundgesetz hinwirken?

Ich habe von vornherein klargestellt, daß es nicht um eine grundgesetzliche Frage geht. Zunächst einmal muß doch die Kirche selbst auf sich verändernde Lebensformen der Gesellschaft Antworten finden.

Segnungen sollen künftig auch für Homosexuelle und eheähnliche Partnerschaften möglich sein. Was heißt aber der Satz, dies gelte nur für solche, die „ethisch verantwortlich leben“?

Wir haben sehr deutlich gesagt, daß es hier um Paare geht, die ihre Lebensgemeinschaft auf Dauer angelegt haben, die füreinander da sind, und nicht – ich sage das mal etwas salopp –, ständig ihre Partner wechseln.

Im Beschluß heißt es, die Segnungen sollen nicht mit Segnungen bei Trauungen verwechselt werden. Also eine Segnung zweiter Klasse?

Nein. Es gibt ja ganz bestimmte lithurgische Formen für den Traugottesdienst, das gegenseitige Versprechen der Ehepartner zum Beispiel. Wir müssen jetzt Formen entwickeln, die sich von dem Trauversprechen abheben – da können wir von anderen Kirchen, vor allem in den Niederlanden, lernen.

Mit so einer moderaten Fassung könnten die Konservativen doch zufrieden sein...

Das glaube ich nicht. Wir haben uns trotzdem bemüht, mit dem Beschluß zur Segnung den innerkirchlichen Frieden wiederherzustellen. Einige Gemeinden werden sicherlich auch diesen Beschluß nicht mittragen. Uns bleibt die Hoffnung, daß mit der Zeit die innerkirchliche Akzeptanz wächst. Ähnlich heftig wurde ja über den Zugang für Frauen ins Pfarramt gestritten. Mir geht es darum klarzustellen, daß die Kirche sich weiterentwickeln kann, ohne sich von Bibel und Bekenntnis zu entfernen. Interview: Severin Weiland