Punk in Magdeburg erstochen

■ Samstagnacht wurde ein 17jähriger von Unbekannten ermordet. Zwei Stunden zuvor hatten ihn rechte Skins angepöbelt. Waren sie die Täter? Seit 1992 hat Magdeburg Tradition in rechtsradikaler Gewalt

Berlin (taz) – In Magdeburg ist in der Nacht zum Samstag ein 17jähriger aus der Punkszene erstochen worden. Zu den Hintergründen der Tat konnte die Polizei gestern nichts mitteilen. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte ein Pressesprecher auf Anfrage. Daß Rechte Frank Böttcher ermordet haben könnten, will er nicht ausschließen. Andererseits seien in derselben Nacht zwei Raubüberfälle in unmittelbarer Nähe verübt worden, einer vor dem Zeitpunkt des Mordes, einer danach. Doch wurde bei diesen beiden Überfällen niemand mit dem Messer bedroht.

Der Mord geschah im Stadtteil Neu-Olvenstedt, dem größten Neubaugebiet von Magdeburg. Frank Böttcher war gegen zwei Uhr nachts mit der Straßenbahn ins dortige Walter-Friedrich-Krankenhaus gefahren, um sich eine Handverletzung behandeln zu lassen, die er sich zu Hause zugezogen hatte. Den Krankenschwestern erzählte er, drei junge Männer im rechten Skinhead-Outfit hätten ihn in der Bahn angepöbelt. Seine Erzählung wird mittlerweile von einem Zeugen bestätigt, der beobachtete, wie sich die Skins und Böttcher beim Aussteigen stritten.

Nachdem seine Wunde versorgt war, ging er zu der etwa 100 Meter entfernten Haltestelle zurück. Für das, was dort geschah, gibt es bislang keine Zeugen. Erst gegen vier Uhr fand ein Passant den Punk blutüberströmt auf dem Bürgersteig. Ärzte aus der Klinik versuchten, ihn wiederzubeleben, doch die Verletzungen – Messerstiche und ein Schädelbasisbruch – überlebte er nicht. Frank Böttcher starb gegen fünf Uhr auf der Intensivstation. Die Polizei leitete sofort eine Fahndung ein, ohne Erfolg.

Sollte sich herausstellen, daß die beobachteten Skinheads den Punk getötet haben, dann wäre dies nicht die erste Bluttat, die rechtsgerichtete Täter in Magdeburg verüben. Im Februar 1992 stürmten mindestens 60 bewaffnete Skinheads die Geburtstagsparty von Punkern an den Elbterrassen. Dabei erschlugen sie einen 23jährigen. Fünf Rädelsführer wurden daraufhin zu Jugendstrafen zwischen zwei und sechs Jahren verurteilt. Gut zwei Jahre später hetzten rechte Skins am Himmelfahrtstag Ausländer durch Magdeburgs Innenstadt. Antonius Stockmann, damaliger Polizeipräsident, schrieb die Ausländerhatz dem „unglückseligen Zusammenwirken von Alkohol und Sonne“ zu. Ministerpräsident Reinhard Höppner war da anderer Meinung und enthob Stockmann seines Amtes – wegen Versagens der Polizei auf der ganzen Linie. Die festgenommenen Rechtsradikalen gingen für zwei beziehungsweise dreieinhalb Jahre in den Knast. Annette Rogalla