Strafe für den bösen Unterleib

■ Vorsicht Sünde! Charles Burns' neuer Comic „Black Hole“

„Das Gesicht ist eine Horrorgeschichte“, schrieben die Philosophen Deleuze/Guattari in „Mille Plateaux“. Es ist durchzittert von der Angst, nicht zu sein, und vom Zwang, etwas sein zu müssen. Charles Burns scheint mit seinen Comics Bilder für diesen Zwiespalt zu liefern. Die Gesichter sind glatt, konturarm, Ausdruck eines drückenden Konformitätszwangs.

Im ersten Heft der Serie „Black Hole“ geht es um Teenager, also um Körper und Gesichter, die noch im Wandel begriffen sind. Eine seltsame Krankheit grassiert. Einige bekommen Ausschlag, Beulen oder Schuppen auf der Haut, andere symbiotische Fortsätze, in den schlimmsten Fällen erfolgt eine Häutung, nach der leprose Monster zurückbleiben. Nur Teenager sind davon befallen.

Burns nimmt damit Motive von „Teen Plague“ wieder auf, das 1989 im Magazin Raw erschien. Schon damals beklagte sich Roland Mietz darüber, daß diese Metapher für Aids „nur dazu dient, oberflächliche Bedrohlichkeit zu erzeugen“. In „Black Hole“ bekommt die weibliche Hauptperson Chris ihre Rückendeformation erst nach ungeschütztem Sex mit einem Jungen, der eine weitere Mundöffnung auf der Brust hat.

Sex als Auslöser oder Motiv für den Horror wird von Burns gerne eingesetzt. In „Black Hole“ nähert er sich jedoch der moralischen Predigt. Das Cover läßt kaum an Eindeutigkeit zu wünschen übrig: An der nur mit Unterwäsche bekleideten Chris ringelt sich eine Schlange hoch. Es fehlte nur noch, daß Burns den Kirchenvater Augustinus mit „Alles Böse kommt aus dem Unterleib“ zitiert.

Burns' Comics zeichneten sich immer durch die Ambivalenz von Moral und Voyeurismus, von Lust und Schuld aus. Damit sagte er auch etwas über die USA mit ihrer Prüderie und den allgegenwärtigen Topless-Bars aus. Sein Horror kam immer aus dieser normalen Verklemmtheit und löste damit die Einteilung von Gut/Böse auf. „Black Hole“ hingegen ist eindeutig – und damit langweilig.

Für den Comicautor Bill Elder spiegelte der Horror der alten EC- Comics die untergründige Angst vor der Atombombe wider. Aids, eine Seuche, vor der man sich mittlerweile konkret schützen kann, taugt dazu nicht. Martin Zeyn

Charles Burns: „Black Hole 1“

Reprodukt 1997, 19,80 DM