Lob den Wendehälsen

Ein Mann will endlich rübermachen. Ins konservative Lager. Mit 42 Jahren wird's auch höchste Zeit. Weil Thomas Städtler in einem linken Umfeld groß geworden ist, hat er Gott sei Dank denken und Dialektik gelernt. In seiner Streitschrift entdeckt er zwei Formen von Konservatismus: den „real-existierenden“ und den „idealen“. „Eine normale Gesellschaft muß aus Wendehälsen bestehen“, verteidigt Städtler die ehemaligen Genossen, und mit ihnen sich selbst. Der frühere Therapeut, nun als Unternehmensberater tätig, stellt fest, „daß konservative Menschen nicht nur die besseren Argumente, sondern auch die bessere Art und Weise hatten, diese zu vertreten“. Andererseits stört er sich daran, wie die DDR transformiert worden ist. Das zeige, „wie hohl und korrupt der Konservatismus geworden ist“.

Aber schon ist Licht am Ende des Tunnels. Denn Städtler will bemerkt haben, daß „die CSU häufig eine recht sinnvolle, in vielen Punkten auf eigentümlich versteckte Weise, progressive Politik macht“. Und auch den Kanzler hat er schätzen gelernt. Die Welt sei sicherer, wenn sie von mittelmäßigen Menschen regiert werde. Die Zukunft soll noch besser werden. Städtler befürwortet einen „evolutionären Konservatismus“. Die deutsche, die „soziale Marktwirtschaft“ nennt er den „dritten Weg“, aber spätestens hier hört man die Nachtigall trapsen, weil der Autor den aktuellen Verlust des Sozialen mit keinem Wort kommentiert. So ist sie eben, die Evolution. Grausam.

Auch sonst die neue deutsche Tiefgründigkeit: Demokratie bedeutet für Städtler, „daß von ihren Mitgliedern nicht verlangt wird, Märtyrer zu werden“.

Bei derart niedrigen Ansprüchen wundert es nicht, daß Städtler alles umarmt, was erreichbar ist. Ein guter Konservativer ist einer, der „links fühlt und konservativ denkt“. Auch wenn ein Konservativer sehen müßte, „daß der Sozialismus sein eigentliches Idealsystem wäre“, macht sich Städtler unverdrossen auf den „Pfad der Weisheit zum Konservatismus“. Rufen wir ihm zu: „Geh doch rüber! Aber lasse uns verweilen.“ Peter Köpf

Thomas Städtler: „Von den Schwierigkeiten, ein Konservativer zu werden“. Rasch und Röhring, Hamburg 1997, 224 S., 34DM