Bootschluckende Betonwelle

■ „Sehfahrt. Das Schiff in der Zeitgenössischen Kunst“ im Altonaer Museum

Nur Mineralwasser kann die Flotte vernichten. Oder Sekt, Orangensaft, vielleicht Bier. Was auch immer überschwappt aus den Gläsern ungeschickter Museumsbesucher: Es wäre der Untergang für die Papierschiffchen, die auf etwa einem Quadratmeter Boden ausschwärmen. Feuchte Klumpen aus Stern-Fernsehprogrammseiten wären alles, was bliebe von Wolfgang Luys Beitrag zur Ausstellung Sehfahrt. Das Schiff in der Zeitgenössischen Kunst, die gestern im Alto-naer Museum eröffnet wurde.

Das wäre schade, denn die Boote wirken verspielt zwischen Skulpturen, Bildern und Installationen der anderen zwanzig Künstler. In Mustern schippern sie über den Boden und drohen, der nebenstehenden Vitrine über die Füße zu fahren. In dem Glaskasten steht ein Diaprojektor, der ein Hörrohr anstrahlt, dessen Schatten wie ein Leuchtturm aussieht. „Nachtfahrt“ nennt der Künstler Bogomir Ecker diese Installation.

Sehfahrt macht es den Besuchern leicht, sich auf zeitgenössische Stile einzustellen. Denn stets bleibt das Schiff als Bild mit Wiedererkennungswert. Frachter, Containerboote und Jollen schlendern von einem Gemälde ins nächste, werden in Bronze gegossen und aus Papier geschnitten.

„Einen Querschnitt durch alle Stile Zeitgenössischer Kunst“ möchte Organisatorin Barbara Engelbach zeigen. Und an eine Ausstellung von 1963 erinnern, als im Altonaer Museum ausgestellt wurde, was französischen Malern seit der Jahrhundertwende zum Thema Schiff einfiel. Sehfahrt beschränkt sich auf Werke der vergangenen 15 Jahre.

Die Künstler nutzen Boote als Symbole, um wahlweise Fern- oder Heimweh zu beschreiben – Schiffe verbinden Sicherheit und Risikolust. Eine Nußschale steuert die sieben Todsünden durch eine Sturmflut, in einem Comic erlebt die Heldin Schiffs-Odysseen. Ein ölgemaltes Männchen rudert sich die Arme schlapp, kommt aber nicht von der Stelle. Hätte er doch die Leine vom Steg lösen sollen? Dann wäre er allerdings dem Meer ausgeliefert, das in den meisten Werken schiffschluckend mächtig daherkommt – wie die 490 Kilo schwere Betonwelle des Kölners Hubert Kiecol.

Die Sponsoren der Ausstellung teilen diese Meer-Sicht vermutlich nicht. Sehfahrt wurde von mehreren Hamburger Reedereien unterstützt. Judith Weber

bis 6. April, Altonaer Museum, tägl. außer montags, 10-18 Uhr