Phoenix holt Asche vom Amt

Lohnkostendämpfung auf Kosten des Arbeitsamtes: Reifenhersteller Phoenix wollte Hausärzten Tips für Vorruheständler geben  ■ Von Julia Kossmann

Lohnkostensenkung leicht gemacht – durch Sozialmißbrauch: Dieses Prinzip hat sich nicht nur bei Bauunternehmern herumgesprochen, die das Schlecht-Wettergeld sparen, weil das Arbeitsamt dank des „Sparpakets“ im Winter Stütze an die Bauarbeiter zahlen muß. Die Vorteile des Paragraphen 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) entdeckte nun die Harburger Phoenix AG, mit 2900 Stellen größter „Arbeitgeber“ in Hamburgs Süden. In einem Merkblatt gab der Reifenhersteller den Hausärzten von Mitarbeitern, die in den Vorruhestand gehen wollten, genaue Formulierungshilfen, um die Kosten auf das Arbeitsamt abschieben zu können. Hamburgs Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery kommentierte gestern: „Wenn das so stimmt, ist das Anstiftung zum Sozialbetrug.“

Paragraph 128 AFG regelt den Vorruhestand und die Frage, ob ein Unternehmen oder das Arbeitsamt einem Vorruheständler das Gehalt in Höhe des ihm zustehenden Arbeitslosengeldes – bis zu zwei Jahren – bezahlen muß. Eine Erstattung ist beispielsweise dann nicht notwendig, wenn die Kündigung aus gesundheitlichen Gründen erfolgte, die eine Weiterbeschäftigung im Betrieb nicht zulassen. Mit ihrem Formschreiben „zur Vorlage beim behandelnden Arzt“ wollte die Phoenix AG die Mediziner zu Gutachten bewegen, die der „kritischen Überprüfung durch das Arbeitsamt“ standhalten – und dem Unternehmen die Zahlungen an das Arbeitsamt ersparen.

Das Phoenix-Merkblatt, das gestern zunächst dem Arbeitsamt und dem NDR zugespielt worden war, hält Gundula Raupach, die Leiterin der Leistungsabteilung im Hamburger Arbeitsamt, für „nicht glücklich“. Auch sei ja hinlänglich bekannt, daß sich jeder Unternehmer von der Erstattungspflicht zu befreien suche. Arbeitsamts-Direktor Olaf Koglin wurde deutlicher: „Als Aufforderung zum Leistungsmißbrauch“ könne man das Merkblatt interpretieren. Ein Schaden sei dem Arbeitsamt aber bislang nicht entstanden, schätzte Gundula Raupach gestern. Und auch Koglin vertraut „den Nachprüfungen in meinem Hause“. Für ihn zeige die Diskussion aber „die Problematik eines Paragraphen, der durch Ausnahmevorschriften Einzelfallgerechtigkeit schaffen soll, aber geradezu dazu auffordert, nach Umgehungstatbeständen zu suchen“.

Hamburgs DGB-Vorsitzender Erhard Pumm hatte von solchen Tatbeständen bis gestern noch keinen Wind bekommen. Man könne aber nicht ausschließen, daß Personalstellen telefonisch versuchten, Ärzte auf die für das Unternehmen günstigere Linie zu bringen. Er beklagte, daß Unternehmer über Lohnnebenkosten lamentierten, diese aber zugleich in die Höhe trieben, indem sie kräftig in den Topf der Solidargemeinschaft griffen.

„Unsere Absicht war Hilfestellung“, weist Phoenix-Personalleiter Meinhard Liebing alle Vorwürfe zurück. Aus den zugegebenermaßen „unglücklichen Formulierungen“ würde nun eine Konsequenz gezogen: „Wir müssen uns was anderes einfallen lassen.“