Das Portrait
: Mutter aller Boy-Groups

■ Brian Connolly

Sie hingen in allen Jugendzimmern der siebziger Jahre: Steve, Andy, Mick und Brian. Mal in silbernen Indianerwesten, mal als Rebellen in Nieten und Leder, mal als gepflegt plattgekämmte Langhaarige in Breitcordhosen, Pullundern und Plateauschuhen. So waren The Sweet, ein Traum von echt kindlichem Glamour, mit einem goldig blonden Sänger namens Brian Connolly, dessen Augen stets leicht spöttisch auf dich herabblickten vom Bravo-Starschnitt auf deiner Postertapete.

The Sweet waren die Mutter aller Boy-Groups. Nicht anders als bei Caught In The Act, Boyzone und den Backstreet Boys galt auch für sie schon die Formel: Aussehen, aussehen, aussehen und immer an die Teenies denken. Waschbrettbauch und rasante Tanzschritte waren für die Stars der frühen 70er Jahre noch keine Pflicht, dafür mußten die Verkleidungen um so bunter sein. The Sweet sahen immer ein wenig wie Mädchen aus, schwul womöglich, wie manche Eltern sehr irritiert feststellten.

Ihren ersten Hit hatte die 1968 in London gegründete Band mit „CoCo“ 1971. Bis zum Frühjahr 1976 blieben sie Top of the Pops, mit einschlägigen Hymnen wie „Blockbuster“, „Ballroom Blitz“ und „Fox On The Run“.

Jedes Lied war ein großer Kreisch, wenn Brian Connolly seine Stimme zum „Teenage Rampage“ anhob; manchmal wurde der Falsettgesang von Steve Priest im Refrain hinzugemischt, dann gab es Doppel-Kreisch. Jedenfalls hat man sich damit sehr amüsiert, früher auf Persiko- und Apfelkorn-Feten und heute eben bei Retro- Parties zum Thema Trash.

Doch irgendwann machten auch The Sweet den Schritt in die Erwachsenenwelt, und prompt ging es bergab. Auf „Sweet Fanny Adams“ klangen die Lieder nicht mehr enthusiastisch, sondern bloß wie Hardrock. Brian Connolly lernte Synthesizer zu bedienen und wurde ein verbissener Musiker. Als ein Roadie die Keyboard-Tasten anmalte, damit Connolly Dur und Moll besser unterscheiden konnte, ließ ihn der wütende Sänger feuern. Genützt hat es nichts: Nie wieder wurden The Sweet so berühmt wie in ihrer Zeit als geniale Dilettanten. Zuletzt lebte Brian Connolly von Stütze und Alkohol, denn die Tantiemen der 50 Millionen verkauften Platten gingen an das Songwriter- Team Nicky Chinn und Mike Chapman. Am Montag ist er 47jährig an Nierenversagen gestorben. Harald Fricke