■ Die Schweinepest in den Niederlanden bereitet auch deutschen Veterinärbehörden Kopfzerbrechen. Denn die Handelssperre gilt erst seit einer Woche. Vorher hatten aber die holländischen Landwirte noch große Mengen exportiert.
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Die Schweinepest in den Niederlanden bereitet auch deutschen Veterinärbehörden Kopfzerbrechen. Denn die Handelssperre gilt erst seit einer Woche. Vorher hatten aber die holländischen Landwirte noch große Mengen exportiert.

Visumpflicht für kranke Mastferkel

„In den Niederlanden stehen Veterinäre und Behörden jetzt vor denselben immensen Schwierigkeiten, die wir bei der großen Schweinepest vor vier Jahren hatten“, prophezeit Gert Lindemann, der für das Veterinärwesen zuständige Abteilungsleiter im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium. Damals, beim letzten Seuchenzug 1993 bis 1995, mußten allein in Niedersachsen 1,6 Millionen Scheine „gekeult“, mit der Elektrozange getötet werden.

Durch ein einziges infiziertes Schwein aus Baden-Württemberg war die Seuche seinerzeit in die niedersächsische Schweinehochburg im Südoldenburgischen eingeschleppt worden. Diesmal ist in der niederländischen Provinz Limburg ein Gebiet betroffen, wo im 10-Kilometer-Radius 700.000 Schweine gehalten werden. 20 Ausbrüche der Krankheit seien in dem Gebiet bereits registriert worden, sagt Lindemann.

Gestern hat deswegen der Brüsseler Agrarkommissar den ständigen Veterinärausschuß der EU zu einer Krisensitzung geladen. Abteilungsleiter Lindemann erwartet einschneidende Beschlüsse: „Wahrscheinlich müssen am Ende in den Niederlanden Hunderttausende, wenn nicht wieder eine Million Tiere gekeult werden.“ Immens sind auch die finanziellen Folgen solcher Massentötungen. Auf 1,5 bis 2 Milliarden Mark schätzt das niedersächsische Landwirtschaftsministerium den volkswirtschaftlichen Schaden, der in Deutschland durch die letzte große Schweinepest entstanden ist.

Allein 500 Millionen hatten damals die EU, der Bund, die Länder und die landwirtschaftlichen Tierseuchenkassen aufzubringen, um die von den Massentötungen betroffenen Tierhalter halbwegs zu entschädigen.

Die Schweinepest grassiert gegenwärtig allerdings nicht nur jenseits der niederländischen Grenze. In Nordrhein-Westfalen ist sie aktuell bei Soest aufgetreten. Zuvor gab es eine Reihe von Infektionen rund um Paderborn, wo die Seuche wahrscheinlich von einem aus Bosnien zurückgekehrten britischen Soldaten eingeschleppt wurde. Auch aus Mecklenburg-Vorpommern wurden in den vergangenen Wochen drei Ausbrüche gemeldet. Von infizierten Wildschweinen ging die Krankheit im Mecklenburgischen aus. Angesteckte Ferkel trugen die Krankheit nach Bayern und nach Niedersachsen weiter, nach Lüchow-Dannenberg, in die Nähe von Gifhorn und auch in die Landkreise Vechta, Cloppenburg und Oldenburg. 13.000 Tiere haben die niedersächsischen Veterinärbehörden bisher töten lassen. Die Amtsveterinäre hoffen, damit die weitere Ausbreitung der Krankheit gestoppt zu haben. „Wir haben sofort und zu einem frühen Zeitpunkt reagiert“, versichert Abteilungsleiter Lindemann.

Weitaus mehr Kopfzerbrechen bereitet den Seuchenspezialisten im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium derzeit dennoch die Entwicklung in den Niederlanden. Ein Handelsverbot für die Tiere aus dem holländischen Seuchengebiet gilt erst seit dem 4. Februar, die Krankheitsanzeichen bei einzelnen Tieren wurden dort aber bereits Mitte Januar festgestellt. „Die Niederländer haben offenbar den gleichen Fehler gemacht, wie wir damals“, sagt Gert Lindemann. Damals hatten die niedersächsischen Schweinemäster noch möglichst viele Tiere zu verkaufen versucht, bevor eine Handelssperre verhängt wurde. Auch aus dem niederländischen Seuchengebiet ist nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums noch eine große Anzahl von Tieren, wahrscheinlich mehrere zehntausend, exportiert worden, bevor die Behörden auf die Seuche reagierten. In Niedersachsen sind nun alle Veterinärbehörden angewiesen, die Schweinebestände auf Importe aus den Niederlanden zu überprüfen.

Der Grünen-Landwirtschaftsexperte Erich von Hofe nennt das Seuchengeschehen in den Niederlanden schlicht einen „Gau der Massentierhaltung“. Wirklich bekämpfen lasse sich die Schweinepest nur durch eine andere Organisation der Schweinezucht. In den Masthochburgen muß einfach „die Hälfte der Tiere weg“. In Gebieten mit geringer Schweinedichte lasse sich die Krankheit regelmäßig leicht eingrenzen und bekämpfen. In den Hochburgen hingegen wird die Schweinezucht extrem arbeitsteilig organisiert. Es gibt Zuchtbetriebe, in denen die Ferkel geboren werden, auf Ferkelmast spezialisierte Betriebe und andere, in denen die Tiere schlachtreif gepäppelt werden. Ohne diese Arbeitsteilung könnte auf viele Tiertransporte, mit denen sich die Seuche ausbreitet, verzichtet werden. Der einzige Ausweg sei eine extensive, naturnahe Schweineproduktion. Jürgen Voges