Puddinggewordene Lebensangst

■ Rick Rubin hat Donovan ausgebuddelt und läßt nun dessen New-Age-Hirnerweichung auf die Welt-Softie-Verschwörung los

Unkämpferische Zurückgezogenheit als Friedenssehnsucht zu vertonen und spirituelle Privatmacken zu Oden an die Weinerlichkeit hochzustilisieren scheint das weiche Brot altgewordener Gitarrenbarden zu sein. Ob Bob Dylan in seinen Wanderungen zu Christus oder Cat Stevens mit seiner Konvertierung zum Islam, Männer, die großen Einfluß auf christliche Findungswochenenden in der Natur hatten, benehmen sich in den reiferen Jahren gerne wie Barfußprediger.

Dylan hat ja wieder einigermaßen die Kurve bekommen, Cat Stevens nicht und jetzt kommt Donovan. Sutras nennt er seine neue Sammlung heilserwartender Folkschlager. Da wird die Erde als solches mit derselben Liebe überzogen wie die Frau als solches, und das ganze glänzt im schimmrigen Schleim von New Age-Demut. Und zwar mit vollem Ernst. Hier geht es nicht darum, daß ein lieber, weicher Gitarrero falsch verstanden wird. Hier wird mit vollem Bewußtsein und der Unterstützung des Def-Jam-Produzenten Rick Rubin Neue Spiritualität propagiert, daß man ganz laut nach Psychoanalyse schreien möchte.

Da wird dann plötzlich alles „wunderbar“, die Zusammenarbeit ist jetzt „beseelt“, der Himmel steht allen weichen Zupftönen vom Wimmerholz weit offen und von oben scheint das Licht der Metaphysik auf einen schwammig gewordenen Schotten, der gerne weint, und da auch voll zu steht.

Und nun zu behaupten, Donovan sei mal ein bedeutender Musiker gewesen, der dem Rock'n'Roll mehr gebracht hätte, als das Leid, daß Gitarrenanfänger seine Lieder aus kleinen weiß-roten Heftchen mit Luftballon und Puppe vorn drauf auswendig lernen mußten, ist Verfälschung von Tatsachen. Donovan war immer für die Softies.

Es ist bekannt, daß es genug Menschen gibt, die puddinggewordene Lebensangst als ihre persönliche Wiedererkennung lieben und denen beim Klang von soviel Traurigkeit ganz warm ums Herz wird. Aber solange Pop auch nur ein Fitzelchen noch was mit Sex, Coolness und Klugheit zu tun hat, kann sich der junge Mensch für solche Musik, wie von Donovan, nur die Pop-Inquisition wünschen. Till Briegleb

Di, 18. Februar, 21 Uhr, Fabrik