: Gleichgeschlechtliche Fitzelchen
■ Ein unterhaltsamer Antilehrfilm über homophobe Filmklischees: Andrea Weiss' „A Bit of Scarlet“ (Panorama)
Es beginnt mit einer Aufblende: Sechs ranke Frauen spazieren ins Bild. Jede im Catsuit, jede mit Patronengürtel bestückt und die Beine in dominantem Schuhwerk. Dann tönt sich alles knallrot. „Rot“ würde sich „das Leben färben, wenn man ihm ins Auge“ sähe, läßt uns der süffisant sprechende Filmbegleiter (Ian McKellen) mit einem Derek-Jarman-Zitat wissen. Nach gleichgeschlechtlichen Fitzelchen im Film zu suchen ist als Verfahren nicht mehr ganz neu, aber in der Gegenschnitt-Orgie „A Bit of Scarlet“ von Andrea Weiss („Before Stonewall“, „Paris Was a Woman“) durchaus ergiebig. Na also, könnte man meinen. wenn man nur gescheit recherchiert, kann man sich auch die passende Hinterzimmer- Filmgeschichte zimmern.
Was es da nicht alles zu sehen gibt: Brutstätten (Mädchenschulen), Jungssex im Umkleideraum, diskrete Blicke zwischen auftoupierten Damen, effeminierte Sänger und Butler, tändelnde Backfische, Gefängnisromanzen – die Aufzählung ist lexikalisch.
Neurosen und der obligatorische Selbstmord kommen diesmal nicht vor. Dagegen singt ein khakibrauner Soldatenchor „My British Buddy“ und träumt vom Teenippen nach der Schlacht. Schön.
Trotzdem, dieser Film irritiert. Will er nun mit aller Macht die Lacher (und Kenner) homophober Filmklischees auf seine Seite bringen? Oder mit knapp zwei Dutzend ironischer Regeln zum Aufspüren homophiler Subtexte Satire pur liefern? Oder nach dem Standardwerk „Celluloid Closet“ noch eins draufsetzen? Letzteres funktioniert kaum, nicht zuletzt weil die mit netten Piktogrammen sehr schön aufgemachten Zwischentitel mit den (hauptsächlich britischen) Filmszenen konkurrieren.
Mit etwas mehr Lust am Trash wäre vielleicht ein schwul-lesbisches „Tote tragen keine Karos“ dabei herausgekommen. So ist ein recht unterhaltsamer Antilehrfilm entstanden. Warum dann aber nicht die Quellen der zweifellos subtil ausgewählten Filmausschnitte angegeben sind – wieder eine Frage, die irritiert. Gudrun Holz
„A Bit of Scarlet“. GB 1996, 75 Min. Regie: Andrea Weiss
Heute: 18.15 Uhr im Atelier am Zoo; 15.2.: 13.30 Uhr im Filmpalast; 16.2.: 11.00 Uhr im Filmpalast
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