Frauen, hergehört: „Pflücket den Tag“

■ Frauensenatorin: Eigenzeit erkämpfen! Bischöfin Jepsen: Strukturen verändern!

Männerzeit gilt als besonders knapp, kostbar und teuer; Frauenzeit scheint hingegen grenzenlos vorhanden und grenzenlos abforderbar – Frauensenatorin Christina Weiss widmete gestern anläßlich eines Empfangs zum Internationalen Frauentag dem Thema „Arbeitszeit – Lebenszeit“ ein wenig ihrer kostbaren Zeit.

„Männer kommen weiter, Frauen treten auf der Stelle, und die Zeit verrinnt ihnen zwischen den Fingern“ – eine altbekannte, aber dennoch aktuelle Wirklichkeit, die im Festsaal des Rathauses vor geladenen Gästen von der Senatorin beleuchet wurde. Frauen lebten zwar länger, hätten aber weniger Zeit, ihre Lebenszeit eigenbestimmt zu nutzen. Die Ursache dafür sieht Weiss in der „Gleichzeitigkeit von Fruchtbarkeit, Attraktivität, Berufsstreben und Mutterschaft“, bechränkt auf eine kurze Spanne von zwanzig Jahren, zwischen 20 und 40. Auf den Erwerb angewiesene Frauen mit Kindern gerieten rettungslos zwischen die Räder der Gleichzeitigkeit: gleichzeitige Öffnungs- und Schließzeiten von Kindergärten, Schulen, Läden und Kernarbeitszeiten setzten diese Frauen permantem Streß aus. „Wir müssen der Stadtzeit eine variablere Form geben, neue Zeitstaffelungen entwickeln, und wir müssen uns Debatten über Arbeitszeiten und Ladenzeiten stellen“, so die Senatorin. Das strangulierende Zeitraster im Wettlauf um das von Männern definierte Schönheitsideal müsse endlich abgestreift werden, ermahnte sie die Frauen. Und zitierte Horaz: „Carpe diem“ (Pflücke den Tag).

Auch Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen beklagte gestern die mangelnde Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann, die auch in der Kirche noch nicht wirklich vollzogen sei. Seit dem 19. Jahrhundert habe es kaum ermutigende Schritte gegeben. Die Bischöfin übte aber auch Kritik an den Frauen: „Wir sind noch gefangen im patriarchalen Gefüge, zu ängstlich und zu zaghaft, die Inhalte und Strukturen wirklich verändern zu wollen.“ sako