Gen-Food ist gar nicht gut

■ Umweltverbände fordern eine Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel. Statt auf pestizidresistente Gen-Pflanzen setzen sie auf ökologischen Landbau

Früher kamen aus Amerika Hamburger und Triple-Whopper. Das wurde Fast-Food genannt. In Frankreich konterte man mit einer Slow-Food-Bewegung. Heute, wo Tomaten, Raps und Radiccio in den Labors großer Chemiekonzerne neu erfunden werden, kommen aus Amerika Frachtschiffe mit genmanipulierten Sojabohnen, und die EU verabschiedet eine Novel-Food Verordnung.

In Deutschland streiten die Befürworter der „neuartigen Lebensmittel und -zutaten“ – so werden die genmanipulierten Nahrungsmittel und Inhaltsstoffe in der EU- Verordnung genannt – mit ihren GegnerInnen. Die Fronten verlaufen wie früher: auf der einen Seite Industrie und Forschung, auf der anderen Umweltverbände, VerbraucherInneninitiativen und Naturkostorganisationen. Da niemand mehr glaubt, die Gentechnik sei aufzuhalten, ist der strittige Punkt vor allem das Ausmaß der Kennzeichnung genetisch veränderter Lebensmittel. Was in dieser Debatte aufeinandertrifft, sind unterschiedliche Einschätzungen der Relation zwischen dem Nutzen und gesundheitlichen und ökologischen Risiken, die bei Produktion und Verzehr von Novel-Food entstehen könnten.

Bei den gegenwärtig diskutierten Techno-Pflanzen geht es vor allem um deren Herbizidresistenz. Die genmanipulierten Sojabohnen, die im November im Hamburger Hafen eingeschifft wurden, stammen aus Saatgut, das der Chemiekonzern Monsanto vertreibt, zusammen mit seinem Herbizid „Round up“, gegen das die besagten Sojapflanzen resistent gemacht wurden. Ciba-Geeigy, AgrEvo- Raps und Bejo-Zaden-Radiccio, die von der EU bereits zugelassen wurden oder deren Zulassung beantragt wurde, funktionieren nach demselben Prinzip: Sie sind gegen das von Hoechst hergestellte Konkurrenz-Herbizid „Basta“ resistentmanipuliert worden.

„Wir sind gegen Genfood. Es bietet keine Vorteile für den Verbraucher und wird aus rein wirtschaftlichen Gründen produziert“, sagt daher Christoph Römer, Ernährungsreferent der Verbraucherzentrale Berlin. Die möglichen Risiken würde er auch im Fall einer Produktverbesserung nicht in Kauf nehmen. Schließlich sei es möglich, „sich auf herkömmliche Weise gesund zu ernähren“. Auch von dem Argument, der Ernährungsnotstand einer stark wachsenden Weltbevölkerung mache genetische Veränderungen an Lebensmitteln unabdingbar, hält Römer nicht viel: „Hunger in der Welt ist ein scheinheiliges Argument, um Gentechnik einzuführen – die Hungrigen erhalten diese Lebensmittel sowieso nicht.“ Da Genfood aber nicht aufzuhalten sei, plädiert die Verbraucherzentrale für eine Kennzeichnungspflicht und fordert eine Kennzeichnungspflicht auch in den Fällen, in denen eine genetische Veränderung zwar nicht in den Produkten nachweisbar ist, jedoch dem Produktionsprozeß zugrunde lag. Ein Beispiel wäre Soja-Öl aus Monsanto-Soja, das im Gegensatz zum zurückbleibenden Soja-Eiweiß keine veränderten Gene mehr enthält.

Benjamin Bschor vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Berlin führt ähnliche Argumente an wie der Verbraucherberater. Auch der BUND lehnt Gentechnik in Lebensmitteln und Landwirtschaft ab und plädiert für den Fall ihrer Existenz für eine eindeutige Kennzeichnung. In der Landwirtschaft werde durch den Anbau pestizidresistenter Pflanzen „der Weg zur Industrialisierung zementiert“. Statt dem Einsatz von Pflanzenschutzgiften fordert Bschor ökologischen Landbau – obwohl die resistenten Pflanzen weniger Pestizide benötigen. Bezogen auf die Ernährungsrisiken sind laut Bschor besonders AllergikerInnen gefährdet. Durch gentechnische Veränderungen werde das allergieauslösende Potential verschiedener Lebensmittel erhöht.

Günter Peine, Leiter des BiTop- Büros Berlin-Brandenburg, das die Entwicklung der Region zum Biotechnik-Standort vorantreiben möchte, hält die Vorbehalte und Befürchtungen der Umwelt- und Verbrauchervereine für übertriebenen. Man müsse trennen zwischen dem, „was man als mögliches Risiko bezeichnet“ und dem, was „langwierige Forschungen und gute Untersuchungen“ als tatsächliches Risiko herausbekommen. Bevor ein Genprodukt zugelassen wird, werde es schließlich über Jahre hinweg wissenschaftlich geprüft. Und „das sind ja alles keine Dummköpfe, die diese Prüfverfahren entwickeln und durchführen“. Auch eine ethische Diskussion für und wider die Gebührlichkeit menschlicher Eingriffe in pflanzliches Erbgut könne man laut Peine nicht sinnvoll führen, denn „da wird es immer unterschiedliche Ansichten geben, und wer kann da entscheiden“ – vielmehr solle man Vorwürfe „auf Fakten runterholen“ und dann „das, was es an belegbaren Fakten gibt, abwägen“.

Daß das kaum geht, wußte der Wissenschaftsanarchist Paul Feyerabend schon früher, als man Novel-Food noch nicht aß: „Jede detaillierte Analyse erfolgreicher wissenschaftlicher Schachzüge führt zu der Einsicht, daß die Wissenschaft einen Spielraum der Willkür enthält, der im Prinzip durch eine demokratische Abstimmung geschlossen werden kann, aber de facto durch wissenschaftliche Machtpolitik und Propaganda geschlossen wird“, schrieb er schon in den Siebzigern. Ina Kerner