■ Am Rande
: Portugal: Vom Mikro weg verhaftet

Lissabon (taz) – Gerade hatte die Rundfunkredakteurin Madalena Ferreira die Nachrichten verlesen, da wurde sie an der Studiotür von zwei Kriminalbeamten festgenommen, die auch gleich das Manuskript der Nachrichtensendung beschlagnahmten. Nicht einmal einen Haftbefehl präsentierten die Polizisten, denn Madalena Ferreira wurde auf „frischer Tat ertappt“. Das Vergehen der Journalistin des Regionalsenders Rádio Altitude im nordportugiesischen Guarda: In den 10.30-Uhr- Nachrichten hatte sie über die Korruptionsvorwürfe gegen den Bürgermeister der Stadt, Abilio Curto, berichtet. Um 8.30 Uhr war diese Nachricht schon einmal über den Sender gegangen, und auch der Staatsanwalt hatte sie gehört. Der schickte daraufhin die Polizei ins Radio. Denn in Portugal gilt in Kriminalfällen bis zum Prozeßbeginn das „Justizgeheimnis“: Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Polizisten verpflichtet dieses „segredo de justiça“ zum Stillschweigen. Übereifrige Juristen wollen häufig auch Journalisten in diese Schweigepflicht miteinbeziehen.

Der vom Amt suspendierte Bürgermeister Curto wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, Schmiergelder angenommen zu haben. 20.000 Mark habe er von einem Unternehmer bekommen für eine Baugenehmigung auf einem nicht als Bauland ausgewiesenen Gelände. Ein zweiter Unternehmer habe Curto mit 5.000 Mark geschmiert, damit er dafür sorgt, daß er ein Grundstück auf einem städtischen Industriegelände zum „Sonderpreis“ bekommt. Weil Rádio Altitude das alles gemeldet hatte, wurde Madalena Ferreira fünf Stunden lang von der Polizei festgehalten und dann einem Untersuchungsrichter vorgeführt. Der entschied, daß die Redakteurin ihren Prozeß auf freiem Fuß erwarten darf. Oscar Mascarenhas vom Vorstand der Journalisten- Gewerkschaft (SJ) nannte die Verhaftung „eine schwere Verletzung der verfassungsmäßig garantierten Pressefreiheit. Wir werden das Justizgeheimnis weiter ,verletzen‘, bis auch der letzte Journalist ins Gefängnis muß. Denn schlimmer wäre es, wenn wir unser Gewissen verletzten.“ Theo Pischke