: Gegen Diktatur und „Affengeld“
■ Nach einem erfolgreichen Generalstreik haben Christen in Zaires Hauptstadt zu Massenprotesten aufgerufen
Brüssel (taz) – Das zairische Regime zerbricht. Nicht nur erlebt die Armee im Kampf gegen die Rebellen der Allianz demokratischer Kräfte zur Befreiung von Kongo- Zaire (AFDL) eine Niederlage nach der anderen; auch in der Hauptstadt Kinshasa regt sich zunehmend Protest. Nach einem erfolgreichen Generalstreik am vergangenen Montag, zu dem die radikale Opposition aufgerufen hatte, haben die Basiskirchen der Stadt für den morgigen Sonntag zu einem Protesttag aufgerufen, in Erinnerung an einen Marsch von Christen vor fünf Jahren, bei dem die Armee eingeschritten war und ein Blutbad angerichtet hatte. Im Anschluß an die Sonntagsmesse wollen Anhänger von Graswurzelkirchen und Befreiungstheologen durch die Straßen von Kinshasa ziehen und für freie Wahlen in Zaire demonstrieren.
Die Opposition wirft der Regierung unter Premierminister Kengo wa Dondo vor, die für dieses Jahr angestrebten Wahlen fälschen zu wollen, um an der Macht zu bleiben. Der Generalstreik vom Montag hatte zum Ziel, Kengo zum Rücktritt zu veranlassen und statt dessen den Führer der radikalen Oppositionspartei UDPS, Etienne Tshisekedi, als „Kandidat des Volkes“ an die Macht zu bringen. In vergangenen Jahren hatten Generalstreikaufrufe dieser Art immer wenig Wirkung gezeigt – aufgrund der extremen Armut vieler der vier Millionen Bewohner von Kinshasa. Die meisten von ihnen haben keine Möglichkeit, Lebensmittelvorräte anzulegen, und müssen den ganzen Tag arbeiten, um am Abend etwas Geld für eine Mahlzeit zusammenzukriegen – wenn sie nicht dann doch noch von habgierigen Soldaten ausgeraubt werden. Dies erklärt, warum Protesttage in Kinshasa meistens so ablaufen, daß nach einigen Stunden Nichtstun die Leute sich dann doch am Nachmittag aufmachen, um etwas zu essen zu finden.
Diesmal war der Zorn größer als der Hunger. Die Leute blieben den ganzen Tag zu Hause. Der Zorn richtete sich vor allem gegen „die Unfähigkeit der Regierung, die Herausforderung des Krieges anzunehmen“. Es wächst der Ärger darüber, daß aufgrund der Anstrengungen des Krieges gegen die Rebellen sonstige staatliche Aktivitäten wie Straßenreparaturen zunehmend zum Erliegen kommen. Die Presse fragt sich regelmäßig, wo das per Sondersteuer von Unternehmern erhobene Geld versickert – vor allem, da ja die Armee nach wie vor keinerlei Erfolge gegen die Rebellen vorweisen kann. Nicht nur Oppositionsführer Tshisekedi, auch Mobutu-Getreue wie Arbeitgeberpräsident Bemba Saolona verlangen inzwischen die Aufnahme von Verhandlungen mit den Rebellen und beschuldigen Premierminister Kengo, die Interessen der Bevölkerung gegenüber der IWF-Verpflichtung zur Rückzahlung der Auslandsschulden zu vernachlässigen.
Die Bevölkerung leidet vor allem unter der nach wie vor galoppierenden Inflation. Es sind neue Geldscheine im Wert von 100.000 und 500.000 „Neuen Zaire“ (jeweils ein bzw. fünf Mark) in Umlauf gekommen, die aber zum Beispiel in der Südprovinz Shaba nicht angenommen und als „Affengeld“ bezeichnet werden. Da die Geldscheine zuerst auftauchten, als Diktator Mobutu am 17. Dezember von seiner Prostatakrebsbehandlung in Frankreich nach Zaire zurückgekehrt war, heißen die neuen Geldscheine auch einfach „Prostata“. Es gab Fälle, wo Marktfrauen in Kinshasa sich weigerten, diese Scheine anzunehmen, und die Kunden mit neuem Geld verprügelten.
Kürzlich ist es sogar zu einer offenen Demonstration für den Rebellenführer Laurent Kabila gekommen. Mehrere hundert Studenten riefen in den Straßen der Hauptstadt kabilafreundliche Parolen, bevor sie rasch wieder auseinandergingen. Gerüchten zufolge ist die Hauptstadt inzwischen auch von Rebellensympathisanten infiltriert, die eine im nahen Angola basierte Splittergruppe unter Jacques Matanda geschickt haben soll. François Misser
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