Verlangen nach Ohnmacht

■ 34 Bildende KünstlerInnen bewerben sich um das Hamburg Stipendium

Gleich beim Betreten der Halle k3 auf dem Kampnagel-Gelände flattert den Besucher-Innen eine Arbeit entgegen, die förderungswürdig ist, obwohl sie sich gar nicht um das Hamburg Stipendium bewirbt: das Manifest der Initiative „32 roosenausstellungsraum“ mit dem Titel „Künstler fordern/fördern Künstler“. Es verlangt, daß Künstler statt Professoren und Galeristen die Qualität der Arbeiten beurteilen sollen. Diese überlegenswerte Forderung bringt zumindest Provokation und Humor in die Kunst zurück.

In der Ausstellung der Bewerber um das einjährige, mit 2000 DM monatlich dotierte Stipendium für Hamburger Künstler sind so viele Wahrnehmungskonzepte versammelt, daß einem schwindelig werden kann. Im Eingangsbereich überzeugt der Beitrag von Michael S. McGlinn mit dem Titel „Das Verlangen nach Ohnmacht“, weil da jemand sein Thema versteht und versucht, es zu überwinden. „Think of this as a window“ stellt stellvertretend für fast alle Ausstellenden die Frage, ob das Bild als Projektion nicht überholt ist.

Die Wiederholung des immer Gleichen ist das Thema von Ina Hattebier, die ein Video zeigt, auf dem sich nur ein Windrad dreht und von einem sich wiederholenden Pfeifton begleitet wird – ökologisches Bewußtsein statt Materialschlacht in der Kunst?

Eine sehr überzeugende, unprätentiöse Wandarbeit gelang Michael Kress. Zum Thema Deutsch-Französische Freundschaft zeigt er überlagerte Fotografien in Lichtkästen. „Hartung-Soulages“ stellt eine Frage nach der treibenden Kraft des Strukturalismus, wobei dieser erneut als visuelles Stilprinzip ernstgenommen wird.

Almut Linde macht mit ihrer visualisierten Gestaltung einer selbst durchgeführten Umfrage im Auftrag von Infas ein Bild, das dann als Konzept aus Linienbewegungen auf den Betrachter zurückkommt. Kontextschaffung und Verschiebung bestimmt die Präsentation – ein Diskurs, der den Jüngeren anscheinend ihren Rahmen vorgibt. Vielleicht ist gerade das tragisch, denn der Kontext-Kunst-Rummel ist ein Fake-Thema. Denn war nicht Kunst immer schon an ihre sich wandelnden Kontexte gebunden?

In der Installation „Saturn“ von Barbara Breyer wird ein Bügelbrett durch verschlossene Bücher bedeckt. Dahinter die Fotografie eines lesenden Menschen mit Büchern und einem Gefäß aus der Chemie. Vielleicht geht es hier darum, Melancholie auszuhalten: durch Lesen verwandeln, aber nicht alles gleichgültig machen.

Wer von den 34 Bewerbern das Stipendium bekommt, darüber sollten die Künstler selbst entscheiden können. Allerdings kann Ohnmacht auch durch die Qual der Wahl ausgelöst werden.

Gunnar F. Gerlach

Bis zum 23. Februar, tgl. 16 bis 20 Uhr, Kampnagel, k3