Alle Ehe geht vom Obdach aus

Polin droht Abschiebung, weil sie und ihr deutscher Mann Platte machen. Behörde: „Kein gemeinsamer Lebensmittelpunkt“  ■ Von Silke Mertins

Auch Armut kann eine Ehe annullieren. Weil das deutsch-polnische Ehepaar E. kein Dach über dem Kopf hat, ist für die Hamburger Ausländerbehörde „fraglich, wie bei Obdachlosigkeit eine eheliche Lebensgemeinschaft geführt werden kann“. Und sieht deshalb trotz des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes von Ehe und Familie (Artikel 6 Grundgesetz) „Ausweisungsgründe“ für die aus Polen stammende Ehefrau Edyta E.

Normalerweise wird den mit Deutschen verheirateten AusländerInnen verhältnismäßig problemlos eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt, die nach vier Jahren unbefristet ist. Warum Hamburg mit dem Ausländergesetz das ranghöhere Grundgesetz meint aushebeln zu können, erklärt Behördensprecher Norbert Smekal so: „Artikel 6 des Grundgesetzes kommt nur zur Anwendung, wenn auch eine Ehe geführt wird.“

Das sei bei den Eheleuten E. offenbar nicht der Fall. Da sie entweder draußen oder in verschiedenen – weil nach Geschlechtern getrennten – Obdachloseneinrichtungen übernachten, gebe es „keinen gemeinsamen Lebensmittelpunkt und keine gemeinsame Lebensführung“. Außerdem stellt sich die Behörde die Frage, „ob die Obdachlosigkeit nicht änderbar ist“. Ob also das Ehepaar E. sich nicht einfach eine Wohnung suchen könne.

Beide Begründungen der Ausländerbehörde scheinen jedoch nicht haltbar zu sein. Es stimme nicht, daß Obdachlose „keine eheliche Lebensgemeinschaft“ führen könnten, sagt Tordis Batscheider, Sprecherin der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS). In den städtischen Einrichtungen „können auch Paare übernachten und haben die Möglichkeit für Privatsphäre“. Zum Beispiel auf dem Schiff Bibby Altona in Neumühlen.

Außerdem suche das Ehepaar „sehr wohl eine Wohnung, findet aber keine“, ist Ernst Medecke, Rechtsanwalt der beiden, empört über die Unterstellung gewollter Obdachlosigkeit. Der Versuch, die Wohnungslosigkeit als Ausweisungsgrund anzuführen, sei eine „Sauerei“. Mündlich habe man Edyta E. sogar gedroht: „Sie werden nächste Woche nach Polen abgeschoben.“

Die Ausländerbehörde weist Medecke darauf hin, daß das Grundgesetz „für alle Menschen gilt, unabhängig von der Tatsache, ob sie eine Wohnung haben oder nicht“. Schlimmstenfalls wäre eine Aufenthaltsduldung zu erteilen. „Wir verwahren uns für unsere Mandantin dagegen, daß auf Grund der Obdachlosigkeit eine eheliche Lebensgemeinschaft in Frage gestellt wird.“

So will die Ausländerbehörde das aber gar nicht gemeint haben. „Wir erkennen die Ehe an“, so Sprecher Smekal. Außerdem habe man so einen Fall „noch nie gehabt“. Man werde jetzt „sehr genau prüfen müssen“ und sei „mit der Prüfung auch noch nicht am Ende“.