Mit einer gewissen Scham

■ Zwei Forum-Filme gehen der Frage nach, ob sich zum Bosnienkrieg ein Frauenstandpunkt finden läßt: "Black Kites" und "Calling the Ghosts"

Während in Berlin dieser Tage über den Standort des zentralen Mahnmals debattiert wurde, sah man im Forum den hastigen Umgang mit noch frischen Erinnerungen an einen Krieg, der sozusagen noch vor sich hin glimmt.

„Calling the Ghosts“ und „Black Kites“ befassen sich auf höchst unterschiedliche Weise mit der Frage, ob sich zum Balkankrieg ein Frauenstandpunkt finden läßt. Dabei merkt man interessanterweise deutlich, daß es sich um Kooperationen zwischen bosnischen und amerikanischen oder englischen Regisseurinnen handelt, in beiden Fällen fließen die Diskurse des westlichen Feminismus mit denen zusammen, in denen Muslime ihre Situation auf dem Balkan beschreiben. Manchmal kann von Zusammenfließen auch keine Rede sein.

„Black Kites“ könnte von Susan Sontag konzipiert sein – es soll die „innere Landschaft“ einer Malerin beschreiben, die während des Krieges mit ihren beiden Kindern im Keller lebt. Dabei spielt sich das nachgestellte Szenario, an dem übrigens Steve und Lucian Buscemi mitgewirkt haben, vor einer schwarzen Studiofläche ab: Teller werden mit Sand ausgewaschen, die Kinder gewaschen, als würden sie getauft, und der salbungsvolle Kommentar hüllt alles in sakarales Licht. Klar ist das Leben heilig, aber vor allem das gute Leben.

„Calling the Ghosts“ hat ein ganz anderes Anliegen: Der Film, der übrigens von Julia Ormond produziert wurde, will Material für den Prozeß in Den Haag sammeln, zu dem längst Fotografen und Filmemacher als Zeugen eingeladen werden. Die beiden portätierten Frauen, Jadranka Cigeli und Nusreta Sivac, wollen durchsetzen, daß Vergewaltigung als Kriegsverbrechen eingestuft wird, und nur deshalb erzählen sie, was ihnen im Lager Omarska widerfahren ist. Mit einer gewissen Scham erinnert sich unsereins dann der Tatsache, daß hierzulande noch debattiert wurde, ob der Vergleich dieser serbischen Lager mit denen der Nazis zulässig war. Es beschleicht einen der ungute Verdacht, daß die Genozide von heute auch deshalb so wenig Aufmerksamkeit mobilisieren konnten, weil sie von dem „Einmaligkeits“-Dogma des deutschen Holocaust an den Juden überschattet wurden.

Civac und Cigeli erzählen, daß die ausländischen Journalisten erst überzeugt werden mußten, daß es überhaupt Lager gab, dann daß dort gefoltert und gemordet wurde, und als letztes erst, daß es dort auch Frauen gab. „Wir saßen nach Altersgruppen geordnet in unseren Zellen. Ich saß mit lauter 60jährigen zusammen, also fühlte ich mich relativ sicher. Aber eines Nachts kam der Kommandant XY, rief meinen Namen und führte mich in ein Zimmer, in dem ich zuerst das Blut eines bosnischen Offiziers aufwischen sollte. Dann hielten sie sich an mir schadlos, sechs Männer, das ging bis zum Morgengrauen. Als ich zurück in die Zelle kam, habe ich nichts gesagt. Wir haben auch nie darüber gesprochen.“ Unter den Bewachern waren viele Nachbarn, beide Seiten konnten sich jetzt nicht mehr kennen. Das alles ist bekannt und auch, daß viele muslimische Männer sich von ihren Frauen scheiden ließen, wenn sie erfuhren, was mit ihnen geschehen war. Was man vielleicht nicht kennt, sind Vorgänge wie der Brief, in dem der Kommandant XY auf die Beschuldigungen reagierte, die Civac/ Cigeli gegenüber dem SFOR gemacht haben: „Was, ich, Frau Civac vergewaltigen? Nehmen Sie's mir nicht übel, aber diese Dame ist zwanzig Jahre älter als ich. Das hätte ich schon aus ästhetischen Gründen niemals tun können.“ Mariam Niroumand

„Black Kites“. USA 1996, 26 Min. Regie: Jo Andres

„Calling the Ghosts“. USA/Kroatien 1996, 63 Min. Regie: Mandy Jacobson und Karmen Jelincic

Beide Filme 21.2.: 15 Uhr Babylon im Zeughaus